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Wortschatz

Einem mehrsprachig aufwachsenden Sohn zuzuhören ist wundervoll. Man kann Wortschätze heben, auf die man selber nie gekommen wäre, deswegen lohnt es sich genauer hin zu hören. Anfangs macht man das um zu verbessern, korrigiert und ist immer mal wieder der Verzweiflung nahe, weil alles für die Katz zu sein scheint. Erst spät entwickelt man die Faszination für den natürlichen, der Sprache innewohnenden Kraft zur Sprengung ihrer eigenen Grenzen, mittels Erweiterung und Erneuerung ihrer Möglichkeiten.

Buchstabensuppe
Foto mit Buchstabensuppenbezug von jayahshima auf flickr

Anfangs herrscht eher Schweigen, und das Kind glänzt zunächst mit seinen eigenen Bezeichnungen für Alltägliches und faszinierende Gegenstände, von denen sich einige bis heute in unserer gemeinsamen Sprache halten – nein, davon wird nichts verraten. Das ist familienspezifisch. Da unterscheidet sich ein mehrsprachig aufwachsendes Kind vermutlich nicht einmal sonderlich von anderen Kindern. Der Unterschied kommt später. Es kann nicht einfach sein zwischen grundverschiedenen, wandelnden Wörterbüchern eingeklemmt aufzuwachsen, die kein richtiges Miteinander erlauben, egal wie sehr sich ein kreatives Hirn auch dagegen stemmt. So entstehen später verschachtelte Hybridsätze, die nur unter Mühe zu entschlüsseln sind. Spaß machen sie immer, diese Kreuzworträtsel. Meist sind das Sätze, die grammatikalisch eher einer Sprache zuzuordnen sind, über die aber großzügig Silben der anderen gestreut wurden. Oder es werden Worte der einen Sprache in der anderen dekliniert, gebeugt und gebrochen. Die Sprachaneignung ist voller Fehler, und alles kommt wunderbar durcheinander.

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„Schäm dich nicht für deine Fehler…“

Was ich meinem Sohn erzähle – 005

„… sondern verleihe ihnen einen Sinn.“ – Menschen sind fehlbar. In erster Linie natürlich alle anderen. Man selbst eher nicht. Passiert schon, das ja, wenn dann aber höchstens selten. Also seltener als bei anderen. Wir wären gerne unfehlbar, sind es aber nicht. Niemand möchte Fehler machen, dabei brauchen wir Dickschädel sie, um etwas zu begreifen. Wenn uns etwas definiert, dann sind es unsere Fehler, unsere „Unfälle“, unser Versagen. Wie jemand tickt erkennt man am Besten daran, wie er mit den eigenen Fehlleistungen umgeht. Unsere persönliche Geschichte, die also, die wir uns von uns selbst erzählen, ist meistens nur eine Aneinanderreihung von unseren Glanzstunden – und damit werden wir unser Gegenüber schnell zu Tode langweilen. Denn unterhalsam sind unsere Fehlentscheidungen. Sie sind es, die uns menschlich machen, und Größe beweist man in der Niederlage. Siegen kann jeder. Den Unterschied macht, ob wir Schlüsse aus ihnen ziehen. Denn ungeschehen machen kann man sie sowieso nicht. Wir brauchen Fehler, um Dinge zu lernen, die anders einfach nicht in unsere Birne wollen. Jeder kann Narben vorzeigen, wo er zu nah ans Feuer oder zu verspielt an eine scharfe Klinge heran gegangen ist. Wer ohne Narbe ist, werfe den ersten Stein – aber bitte niemandem an den Kopf. Hauptsache ist, die neuen Lektionen schaffen es in den Kopf. Menschen, die sich den Anschein von Unfehlbarkeit geben, sind vermutlich nicht nur mir suspekt. Wenn sie dann noch anderen Menschen weh tun, ohne es zu merken – oder noch schlimmer: bewusst – tun sie mir nur noch leid.

Sogar Superhelden bauen ständig Mist. Heulen die deswegen rum? Manchmal selbst die Tapfersten. Das einzige probate Mittel, was einen zuverlässig die eigene Unfehlbarkeit besser ertragen lässt ist Humor: Man lacht über sich selbst. Dann macht man weiter. So als wäre etwas gewesen.

„Ehe du etwas Negatives über jemanden sagst…“

Was ich meinem Sohn erzähle – 003

„… lobe ihn für zwei Dinge.“ – Man kann nie objektiv sein, dazu steht man sich zu sehr selbst im Weg. Kritik an anderen geht einem dennoch zu leicht von den Lippen, viel häufiger als Lob. Das mag daran liegen, dass uns eher etwas auffällt was uns stört, als dass wir begreifen wie reibungslos alles läuft. Oft braucht es eine Erkältung um uns bewusst zu machen, wie lange wir schon wieder gesund waren – selbstverständlich ohne uns über diesen Umstand gefreut zu haben. Das heißt aber noch lange nicht, dass man mit seiner Kritik hinterm Berg halten soll. Aber man kann versuchen sie diplomatischer an den Mann, die Frau und besonders das Kind zu bringen.

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Wenn Schrauben locker sitzen

Neulich auf eine familiären Spaziergang fand mein Sohn einen verrostetet Schraubenschlüssel im Schnee, befreite ihn vom Eis und nahm ihn mit.

Schraubenschlüssel
Auslöserschraubenschlüssel (Illustration, nicht das Original)

Ich fragte ihn, was er denn damit wolle.

„Ihn dir oder Opa schenken.“

„Also ich will ihn schon mal bestimmt nicht haben.“

„Hast du denn einen 22er?“

„…“

Zwei Sätze, und er hatte mir eine Lektion erteilt. Nein, ich habe keinen 22er. Inzwischen habe ich Zuhause nachgesehen, und tatsächlich: dieses Kaliber von Schraubenschlüssel habe ich nicht unter meinem Werkzeug (beim 17er ist Schluss). Zu meiner Verteidigung sei angemerkt, dass sich auch keine entsprechende Mutter dafür im ganzen Haus findet. Es reicht völlig, dass er ihre Schlagfertigkeit geerbt hat :)

Jedenfalls meinte mein Sohn dann, er würde ihn selber behalten, und uns bei Bedarf leihen. Ein großartiger Junge.

„Lache als Erster…“

Was ich meinem Sohn erzähle – 002

„… nicht als Einziger.“ – Dieser pfiffige Merksatz fasst ganz gut zusammen worauf es beim Humor ankommt, wie ich finde. Ein gesundes Humorverständnis kann man gar nicht früh genug entwickeln. Denn wer in Gruppensituationen alleine lacht, beispielsweise nachdem er einen „Witz“ erzählt hat, ohne dass es ihm schnell selbst peinlich wird, dann liegt die Vermutung nahe, dass der Erzählende es gar nicht mitbekommen hat, dass er mit seinem Lachen alleine ist. Oder es ist für ihn irrelevant. Was auf das Gleiche hinaus liefe – eine Humormangelerscheinung. Außerdem unterstreicht er damit, wie sehr ihm an der Meinung anderer gelegen ist. Nämlich gar nicht.

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