Nein, für euch schreiben werd’ ich nicht!

Ich geb zu, ich habe damit geliebäugelt, als mich ein Kollege auf die Ausschreibung zu Racconti #3 hingewiesen hat – einem Script-Lab für Drehbuchautoren. Immerhin winkt den glücklichen Auserwählten dieses Mal gar der Aufenthalt in einem writers‘ room, noch dazu für eine Mystery-Serie. Das klingt doch wie ein auf mich zugeschnittener Traum, wieso also meine pathetische Reaktion als Mischung aus Reinhard Mey und Wolfgang Borchert?

Nein für all jene, denen das Wasser bereits weit über dem Hals steht
Nein für all jene, denen das Wasser bereits weit über dem Hals steht

Wieso also jetzt diese heftige Ablehnungsreaktion? Man leckt sich doch förmlich die Lippen nach den Gastdozenten Jeppe Gjervig („Borgen“) und David Schalko („Braunschlag“), aber Moment – Gastdozenten? Mit wem verbringt man denn dort seine Zeit, mit wem arbeitet man dort? Daniel Speck. So heißt die Hauptfigur in meinem NEULAND-Drehbuch, aber gemeint ist der Autor von MARIA, IHM SCHMECKT’S NICHT. Aber seien wir fair, das war eine Buch-Adaption. Was hat er noch geschrieben? MEINE VERRÜCKTE TÜRKISCHE HOCHZEIT. Einen „ausgezeichneten“ Fernsehfilm. Also mit Preisen. Fernsehpreisen. Weitere Filmtitel erspare ich mir aufzuzählen. Ich will den Kollegen jetzt nicht vorverurteilen, schließlich habe ich keinen der genannten Filme gesehen, und vielleicht hat er ja Bock darauf mal was ganz anderes zu schreiben. Nein, was mich wirklich ankotzt sind diese ewigen Programme, Lehrgänge und Förderungen, nicht die Kollegen.

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Drei auf einen Streich (7) – Filmbesprechungen

Nach zwei sehr deutschlastigen Ausgaben war es mal Zeit für eine bunte Filmmischung aus in den letzten Wochen auf moviepilot erschienenen Kommentaren:

BEING THERE (1979), Hal Ashby

BEING THERE (1979)

BEING THERE von Hal Ashby ist wie die Kehrseite von Sidney Lumet’s NETWORK zu sehen: Letzterer blickt hinter die Kulissen des Fernsehens, dafür zeigt Ersterer um so präziser, was dieses Medium aus den Menschen vor den Apparaten macht. Beide Filme hintereinander zu sehen müßte einen eigentlich dazu bewegen, das Kabel aus der Wand und die Antenne vom Dach zu reißen – glücklicherweise ist das bei immer mehr Menschen längst geschehen, und so wird man in wenigen Jahren auf diese zwei Filme zurück blicken und ungläubig den Kopf schütteln. Ja, auch ich habe einen Traum…

Nun zum Film. Vielen mag er heute zu langsam erscheinen, aber nur weil wir nicht mehr die Geduld aufbringen länger irgendwo in die Bilder und Einstellungen zu schauen. Auch ein Effekt des Fernsehens. Doch, doch, ich erinnere mich an Schnitt-Jobs, bei denen mir die gleiche Sequenz abgenommen wurde, nachdem auf Bitte des Redaktuers nur häufiger zwischen den gleichen Takes völlig unmotiviert hin und her geschnitten wurde. ADHS für den Zuschauer, damit ja niemand in Versuchung kommt die Bilder, die er sieht, zu lesen und fest zu stellen, dass dort gar nichts steht. Schnitt um des Schnitts Willen, ohne Sinn und Verstand. Nicht so in diesem Film. Hal Ashby war bereits ein begnadeter Cutter (man denke allein an die legendäre Schachspielsequenz aus THE THOMAS CROWN AFFAIR, 1968), ehe er ins Regiefach wechselte, und das Timing dieses Films ist absolut perfekt. Eine Wohltat, so etwas zu sehen! Schneller geschnitten würde der Film nämlich gar nicht funktionieren. Man muss Peter Sellers beobachten können, begreifen, dass sich in diesem Kopf nichts tut, er nur wie ein verunsicherter Automat auf seine Umwelt reagiert, mit den beschränkten Mitteln, die ihm zur Verfügung stehen. Da verlässt er nach Jahrzehnten „seinen“ Garten, tritt vor die Tür, und bleibt doch stets Gefangener seiner kleinen Welt, die Abwechslung nur durch eine Fernbedienung herstellen kann. Das eigentliche Mysterium des Films ist, was er eigentlich auf den Kanälen sucht, welches Programm, was in ihm überhaupt den Impuls zum Umschalten auslöst, oder ob dies in einem ebenso gleichmäßigen Zeitintervall stattfindet, wie der Rest seines Lebens.

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Kot und Spiele

Wir sind nicht hungrig genug. In Deutschland ändert sich nichts, weil wir nicht hungrig genug sind. Das fängt schon beim Essen an. Wenn es billiger ist, dann fressen wir auch Scheiße. Nicht etwa, weil wir so ausgehungert sind, sondern weil wir keinen echten Hunger mehr kennen. Der Unterschied ist ja, dass ein Verhungernder keine Wahl hat, aber wir fressen die Scheiße tatsächlich freiwillig. Hauptsache sie schmeckt nicht mehr danach. Sie sieht auch besser aus, keine Frage. Und immer genau gleich, das schaft eine Vertrautheit, an die man sich gewöhnt. Man kann Scheiße ja auch in jede erdenkliche Form pressen, genau wie schon das „Ausgangsmaterial“ von Fischstäbchen.

Förmchen
„Förmchen, Förmchen, aus allen Körnchen!“

Wir hätten den falschen Braten schon damals riechen können, schließlich glaubten wir genauso wenig noch an den Weihnachtsmann, wie an Captain Iglu. Franzosen kann man das im Gegensatz zu uns Deutschen nicht vor machen. Jedenfalls noch nicht so sehr, und ich will mich an dieses Klischee klammern und meine Gedanken daran aufwärmen. Liberté, égalité, fraternité! Ah, tut das gut. Besser als unser Käse. Fromage! Das zergeht einem auf der Zunge. Ein Franzose, der etwas auf sich hält, kauft teuren Käse für seine Käseplatte, die spart er sich nicht vom Munde ab, wie es so bescheuert bei uns heißt, sondern genau umgekehrt: Man verzichtet auf alles, aber nicht auf gutes Essen. Da läuft einem nicht nur das Wasser im Munde zusammen, es hält andere Körpersäfte ebenfalls in Bewegung. Auf den Gedanken am Essen zu sparen, käme der perfekte Fantasie-Franzose nicht.

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Wirtshausschlägerei

Lieblingsszenen-018

Vorsicht! Diese Szene ist ab 18 – Gewalt! Alkohol! In nie dagewesener Form! Die erschreckend brutale Szene stammt aus HERZ AUS GLAS von Werner Herzog nach einem Drehbuch von Herbert Achternbusch:


Wer besorgt mir dieses Filmbild als Plakat? Bitte melden! (bitte Bild anklicken)

Ein Film wie ein Besuch in einer Pinakothek. Minutenlang betrachtet man Bilder, in denen sich nichts regt, hört die expressiven Weissagungen des Mühlhiasl im Originaltext, sowie die wunderbar bildlichen Satzminiaturen von Herbert Achternbusch, wie “Die Unordnung der Gestirne schmerzt mich im Kopf” oder “Wenn einen ein Brief erreicht, ohne Papier, so daß die Buchstaben herum liegen, dann ist das eher zum Nachdenken”. Dazwischen gewaltige Naturaufnahmen wie man sie von Herzog kennt, unterlegt mit folkloristischer Musik, wie man sie in Bayern bereits vor Jahrhunderten – und damit auch heute noch hört.

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„Das Gegenteil von Hass ist Verliebtheit…“

Was ich meinem Sohn erzähle – 006

„… das von Liebe das Nichts.“ – Immer mal wieder beschäftigen meinen Sohn Trennungsängste, dass sich Papa und Mama mal nicht mehr „lieb haben“ könnten, weil er beispielsweise auf einem Ohr mitbekommen zu haben glaubt, dass wir uns streiten. Manchmal tun wir das, keine Frage, aber meistens argumentieren wir nur, was auch emotional und laut werden kann. Liebe muss aber nicht immer harmonisch sein. Wenn man einander vertraut, dann spricht man ebenso über schwere Dinge, wie über banale. Feinheiten wie Ironie entgehen ihm manchmal (wie heute), das Gewitzel der Geschlechter begreift er hingegen schon fast wie ein Großer. Wie dem auch sei, ich versuchte ihm dann zu erklären, dass wir ihn doch auch dann lieb haben, wenn er mal Mist gebaut hat, dass er immer unser Kind ist, egal was passiert, dass wir ihn in Schutz nehmen, uns vor ihn stellen, für ihn da sind. Genauso umgekehrt: Er selbst liebt uns ja auch dann noch, wenn wir Fehler machen. Das hat er gleich eingesehen. Liebe schließt nicht aus, das man mal wütend auf jemanden ist. Nur die Wut vergeht, der Ärger verfliegt, die Liebe bleibt. Geduld mit Menschen zu haben ist ein Weg zur Liebe.

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