Archiv der Kategorie: Medien

Schwärmintellektuelle

Moses kommt vom Berg, er schleppt schwer an den 10 Geboten. Er räuspert sich, und noch bevor er das Erste vorgelesen hat, melden sich erste Stimmen aus der Menge: “Lauter!” – “Dauert das noch lang?” – “Hat wer meinen Hund gesehen?” – “Seht mal da! Der Busch brennt!” – “Löschen wir ihn!” – “Lööö-schen!!! Lööö-schen!!!” – Und das war’s dann, der Brand war schnell unter KonTrolle und Gott durchnässt. Kannste voll dran glauben.

LES REVENANTS
Der Staudamm aus der tollen französischen Serie LES REVENANTS

Wir wussten schon immer alles besser. Wir wissen wie DEXTER hätte aufhören müssen, das BREAKING BAD Finale hätten wir selbstredend noch besser gestaltet, und kommt uns besser gar nicht erst mit LOST. War ja eh klar. Die Welle – ach was – den Tsunami der Entrüstung haben wir ja schon längst kommen sehen.

Schwärmintellektuelle weiterlesen

Zukino

In den letzten Wochen bin ich über drei Links gestolpert, die für sich betrachtet mit einem Schulterzucken hingenommen werden können. Zusammen betrachtet, kombiniert mit ein bisschen Phantasie, sind sie Anzeichen für das Ende der Ära des Blockbusterkinos, und das next big thing nach 3D. Also erschreckt nicht zu sehr liebe Kinofreunde, wir bekommen bald unser verloren geglaubtes Kinogefühl zurück, während es für die jüngeren Generationen (sowie deren nicht zu beneidenden Eltern) eher so aussehen wird:

http://www.youtube.com/watch?v=tYpRQ5Mw2lM
„Mama, ich seh die Leinwand nicht mehr!“

Keine Angst, das sind nur erste, stümperhafte Versuche, die Richtung kann man besser anhand einer anderen Franchise von Disney erahnen, an STAR WARS. Genauer, wenn man liest, woran Lucasfilm für die nahe Zukunft der Postproduktion arbeitet. Gleichzeitig nähert sich die Spieleindustrie von der anderen Seite her an, und wird ihrerseits immer ausgefuchster und filmischer. In Echtzeit.

Wenn man das etwas weiter spinnt, dann sehe ich bald meinen Sohn ein STAR WARS Spiel auf der Konsole spielen, deren hochauflösende Kamera sein Gesicht dabei aufnimmt (das nötige „Greenscreen-Extension-Kit“ habe ich ihm selbst zusammen gebaut, die DIY-Anleitung dazu findet man zuhauf im Internet, falls man nicht ein Ehemaliger ist, der das Wissen dazu sowieso mitbringt). Dann wird sein Gesicht in eine individualisierte Version eines Raumgefechts aus Episode 10 eingefügt, und er sieht sich selber an der Seite der Guten mitkämpfen. Je mehr Szenen er in dem begleitenden Spiel frei spielt, desto mehr rückt er auch in dem Film in die zweite Reihe auf. Und Mädchen dürfen die Klamotten der Prinzessin designen. Die Zeiten wo ein Film für alle gleich war, ist dann endgültig vorbei, und fungiert gleichzeitig als „praktischer“ Kopierschutz. Das ist so von gestern, und nur olle Cineasten (die man dann Cinealten nennt) trauern dem noch nach, wie irgendwann vorher mal dem Material, auf dem angeblich gedreht wurde, und das Film hieß.

Zukino weiterlesen

Drei auf einen Streich (5) – Filmbesprechungen

Zum bevorstehenden Kinostart einiger deutscher Filme, von denen ich das Glück hatte sie bereits auf dem diesjährigen Münchner Filmfest sehen zu können, hier drei Highlights, die man sich nicht entgehen lassen sollte – besprochen wie immer bereits auf moviepilot, der Filmplattform meines Vertrauens:

FINSTERWORLD (2013), Frauke Finsterwalder

FINSTERWORLD (2013)

„I listen to the wind, to the wind of my soul. Where I’ll end up, well, I think only God really knows.“ (Cat Stevens, The Wind, 1971)

Ein deutscher Film, der sich traut mit Cat Stevens anzufangen, muss naiv oder wahnsinnig sein. Das… kann doch nur schief gehen, oder? Tut es aber nicht. Ganz und gar nicht. Sicherer als mit Cat Stevens kann man sich doch nicht fühlen, nicht wahr? In einem deutschen Wald. Wir treiben langsam mit diesen Klängen in ihn hinein, heben mit einem Einsiedler einen verletzten Vogel auf, und versprechen ihn gut zu behandeln. Alles wird gut werden in diesem Film. Naiv und wahnsinnig ist nur der, der das glaubt, ja gerne glauben möchte. Dieser Film ist das Pendant zu einem Lebkuchenhaus, und wer nicht aufpasst, wird von der Hexe geschnappt. Nehmt einen süßen Bissen nach dem anderen, wiegt euch in Sicherheit, und wenn ihr euch satt fühlt, landet ihr in dem deutschesten Ofen, den es gibt.

Drei auf einen Streich (5) – Filmbesprechungen weiterlesen

Pillow Talking Bad

Zwar sind es noch vier Folgen bis zum Ende von BREAKING BAD, und unabhängig davon wie dieses inhaltlich* ausfallen wird, ist die Serie für mich ein Meilenstein in der Art und Weise, wie man seriell erzählen kann. Daher möche ich in diesem Blog-Eintrag heraus stellen, was mich an BREAKING BAD in den vergangenen Jahren so begeistert hat. Und hierfür möchte ich im Voraus dem Schöpfer und Showrunner Vince Gilligan stellvertretend für das ganze Team meinen Dank aussprechen:

Vince Gilligan
Danke für sechs spannende Jahre Vince!

Natürlich hat er auch vorher schon tolle Folgen der X-FILES geschrieben, und man wird nicht darum herum kommen, ein Auge auf seine kommenden Projekte zu haben, und dafür wünsche ich ihm ein gutes Händchen, viele Ideen und zuverlässige Partner, nur wird auf lange Sicht wohl diese Serie immer als Erstes mit seinem Namen in Verbindung gebracht werden.

Was unterscheidet aber nun BREAKING BAD so maßgeblich von anderen Serien? Fünf Aspekte möchte ich hier heraus greifen:

1) Eine Hauptfigur, die ihren Charakter maßgeblich verändert.
2) Weniger, dafür längere, und intensivere Szenen pro Folge, als in anderen Serien.
3) Wenige Figuren, die man um so besser kennen lernt.
4) Unvorhersehbare, aber immer aus den Figuren heraus motivierte Wendungen.
5) Mehr Raum und Luft für Pausen im Drama. Man denke an regelmäßige Musikmontagen oder Momente, in denen man den Figuren förmlich beim Denken zusieht (und keine Gedanken aus dem Off hört).

Über den ersten Punkt ist hinreichend geschrieben worden, die Verwandlung von “Mr. Chips” in “Scarface” – ein Satz den Gilligan zu wiederholen nicht müde wird, und der Teil des ursprünglichen Pitches an SONY/AMC war.

Pillow Talking Bad weiterlesen

Drei auf einen Streich (4) – Filmbesprechungen

Zum viertem Mal nun eine Zusammenstellung von Kurzbesprechungen meist sehenswerter Filme, die ich auf moviepilot verfasst habe:

AIN’T THEM BODIES SAINTS (2013), David Lowery

AIN'T THEM BODIES SAINTS (2013)

Was für ein Glück, dass ich noch in diesem Film gelandet bin – mir war klar, dass ich es nicht mehr rechtzeitig zu THE ICEMAN schaffen würde, und diesen Film hatte ich nur mal so als Alternative angekreuzt, wegen Casey Affleck und Keith Carradine. Und Rooney Mara. Und Ben Foster. Und… verdammte Axt, wer ist dieser Regisseur, von dem ich noch nie gehört habe, der so eine Besetzung auf die Beine stellt?

David Lowery heißt er, ein Texaner mit Schnauzbart und rasierter Glatze, die nach einem Cowboyhut schreit. Und wie dieser Mann vor und nach dem Film auf dem Münchner Filmfest vor das Publikum tritt, passt nur im ersten Augenblick so gar nicht zu dem Äußeren. Aber kaum macht er den Mund auf, macht seine Stimme alles wett, sympathisch, informativ und inspirierend; jemand, dem man gerne zuhört, ob er von und über seine Filme spricht, oder uns durch seine Filme anspricht. Als würde er seit Jahren nichts anderes machen, dabei ist er gerade mal am Anfang seiner Karriere, und wenn er so weiter macht – und das ist exakt der Eindruck, der sich einem aufdrängt – dürfte er spätestens mit einem seiner nächsten Filme als neuer Tarantino gefeiert werden – leider. Denn Lowery kann Geschichten erzählen, denen er seinen eigenen Stempel aufdrückt, ohne sich alles zusammen klauen zu müssen. Der Plot kommt einen natürlich bekannt vor, weil man ihn schon oft gesehen hat, aber er wird so dicht und eigenständig erzählt, dass die Andeutung genügt, und man im Bilde ist. Vier Charaktere stehen im Mittelpunkt, und was Lowery mit ihnen erzählt, ist kraftvoll, beeindruckend und mitreißend – man steckt in jedem der Köpfe, kann ihre Motivationen, Gefühle und Vorgeschichte spüren, in ihren Augen lesen. Etwas, das Tarantino gerade mal in JACKY BROWN ansatzweise gelungen ist. Lowery spielt in einer ganz anderen Liga, erzählt unprätentiös, sehr nah an den Figuren, und diese Geschiche geht einem nahe, anstatt wie bei Quentin nur darum zu kreisen, wie cool er doch erzählen kann. Die Hitze von Texas (auch wenn Teile wegen Fördergeldern in Louisiana entstanden sind – aber bitte nicht weitersagen) heizt die Gemüter auf und strahlt heiß von der Leinwand auf ein Finale zu, in dem sich die aufgestaute Energie unweigerlich entladen muß. Aber wie, verrate ich nicht. In der ersten Drehbuchfassung waren alle tot, erzählte David Lowery dem Publikum. Entstanden sind viele Varianten, von vier unterschiedlichen Grundversionen. Welche es schlussendlich geworden ist, erfahrt ihr im Kino, nicht von mir.

Drei auf einen Streich (4) – Filmbesprechungen weiterlesen