Archiv der Kategorie: Kultur

Zukunftsaussichten

Sehen wir der Wahrheit ins Auge. Wenn es um die berufliche Zukunft unserer Kinder geht, können wir uns weder Hoffnungen auf die Politik machen, noch auf den freien Markt. Egal wie sehr wir als Eltern zusätzlich privat in die Bildung unserer Kinder investieren, mit Privatstunden, teuren Schulen, Praktika und hastenichgesehen – auf dem zukünftigen Weltmarkt werden sie keine Perspektive mehr haben, es sei denn sie prostituieren sich für ein Taschengeld an jenem Ende der Welt, wo sich gerade das Kapital des Bruchteils eines Prozentes tummeln wird. Selbst die besten Köpfe werden nur so lange eine Chance in ihrem sich schließenden Zeitfenster haben, bis das nächste, noch verzweifelter um seine Existenz (und die seiner Nächsten?) Talent es für noch weniger, schneller, und vielleicht sogar tatsächlich besser machen wird. Wo wir uns versklaven lassen, uns unterordnen und ausbeuten lassen, haben wir noch eine Zukunft.

Buster Keaton in ONE WEEK (10920)
Buster Keaton in ONE WEEK (10920)

Die zunehmende Bedeutungslosigkeit der Staaten, egal ob Demokratien, Gottesstaaten oder Diktaturen, macht Platz für ein Model der Global Player, die mehr und mehr zusammen wachsen. Bald wird man sich bei Vollendung des 18. Lebensjahres entscheiden müssen, ob man in der facebook-, Google– oder Apple-Welt leben will, und entweder bei Aldi, Lidl oder Real sein Retortenessen einkaufen. Für ein Dazwischen wird es sehr bald keinen Platz mehr geben, die verbliebenen Banken und Hedgefonds ziehen die Fäden, und für Privates ist weder Platz noch Zeit.

Das einzige Modell was wir dem zumindest kurzfristig noch entgegen halten können ist die wohl letzte Unternehmensform, die langfristig denkt, in Generationen, und nicht im Sinne kurzfristiger Gewinne: Das Familienunternehmen. Zunächst ist das der einzig verbliebene Versuch unseren Kindern eine nachhaltige Zukunft zu garantieren, damit sie selbst später ins Unternehmen einsteigen können, wenn sie mit der Schule und dem Studium, das man sich wohl bereits “sparen” müssen wird, fertig sind (und nicht umgekehrt die Schule mit ihnen). Mit etwas Glück kann man dieses Unternehmen noch auf Freunde und Wahlverwandte ausdehnen, sich zusammen tun, und uns so dem Leben der Clans und Stämme wieder anzunähern, das wir hinter uns gelassen zu haben glaubten.

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„Schäm dich nicht für deine Fehler…“

Was ich meinem Sohn erzähle – 005

„… sondern verleihe ihnen einen Sinn.“ – Menschen sind fehlbar. In erster Linie natürlich alle anderen. Man selbst eher nicht. Passiert schon, das ja, wenn dann aber höchstens selten. Also seltener als bei anderen. Wir wären gerne unfehlbar, sind es aber nicht. Niemand möchte Fehler machen, dabei brauchen wir Dickschädel sie, um etwas zu begreifen. Wenn uns etwas definiert, dann sind es unsere Fehler, unsere „Unfälle“, unser Versagen. Wie jemand tickt erkennt man am Besten daran, wie er mit den eigenen Fehlleistungen umgeht. Unsere persönliche Geschichte, die also, die wir uns von uns selbst erzählen, ist meistens nur eine Aneinanderreihung von unseren Glanzstunden – und damit werden wir unser Gegenüber schnell zu Tode langweilen. Denn unterhalsam sind unsere Fehlentscheidungen. Sie sind es, die uns menschlich machen, und Größe beweist man in der Niederlage. Siegen kann jeder. Den Unterschied macht, ob wir Schlüsse aus ihnen ziehen. Denn ungeschehen machen kann man sie sowieso nicht. Wir brauchen Fehler, um Dinge zu lernen, die anders einfach nicht in unsere Birne wollen. Jeder kann Narben vorzeigen, wo er zu nah ans Feuer oder zu verspielt an eine scharfe Klinge heran gegangen ist. Wer ohne Narbe ist, werfe den ersten Stein – aber bitte niemandem an den Kopf. Hauptsache ist, die neuen Lektionen schaffen es in den Kopf. Menschen, die sich den Anschein von Unfehlbarkeit geben, sind vermutlich nicht nur mir suspekt. Wenn sie dann noch anderen Menschen weh tun, ohne es zu merken – oder noch schlimmer: bewusst – tun sie mir nur noch leid.

Sogar Superhelden bauen ständig Mist. Heulen die deswegen rum? Manchmal selbst die Tapfersten. Das einzige probate Mittel, was einen zuverlässig die eigene Unfehlbarkeit besser ertragen lässt ist Humor: Man lacht über sich selbst. Dann macht man weiter. So als wäre etwas gewesen.

Europäischer Zaubertrank

Das Europabild in unseren Medien ist verzerrt, widerlich, abstoßend. Darum möchte ich ein anderes dagegen setzen. Ein positiv besetztes, auf das wir uns alle einigen könnten, das wir lieben, schon lange kennen, und dem wir schleunigst nacheifern sollten. Vielleicht nicht in allen Belangen, aber es wäre schon mal ein guter Anfang, wenn wir uns alle an diesen Ureuropäern orientieren würden:

Asterix und Co.
Asterix und Co. – wahre Europäer

Perfekt sind sie nicht. Dann wären sie vermutlich noch Vegetarier. Dafür sind sie Vegetariern gegenüber wenigstens tolerant. Vor allem sind sie eine Frischzellenkur für die europäische Idee. Eine Bastion, auf die man sich zurückziehen kann, die man verteidigt. Nicht notwendigerweise am Hindukusch, sondern zu allererst bei uns daheim in Europa, vor der eigenen Haustür. Das kleine, unbeugsame gallische Dorf, das jeder Übermacht trotzt, aus jedem Konflikt siegreich hervor geht, und sich doch stets selbst genügt. Fremden wird geholfen, wenn sie in Not sind. Sie genießen Asyl, bis in deren Heimat für Recht und Ordnung gesorgt wurde. Ein lokaler, internationaler Gerichtshof, der das Gleichgewicht/Gerechtigkeit wieder herstellt. Zur Not mit Hilfe des Zaubertranks. Die Demokratie wird dort verteidigt, wo Ungerechtigkeit herrscht. Lokal. Vor Ort werden die Probleme analysiert, und gelöst. Asterix und Obelix sind die mobile Eingreiftruppe. Sie lernen “fremde” Kulturen kennen, und tolerieren sie, auch wenn sie ihnen fremd bleiben (“Die spinnen, die…”), probieren ihre regionalen Spezialitäten, kehren mit neuen Eindrücken zurück, und berichten daheim aus erster Hand. Die Fremde mag vor Klischees triefen, ob zutreffend oder nicht, nie liegt es in der Absicht der Besucher die Menschen zu “bekehren” – sie kommentieren zwar, wundern sich, aber lassen die Menschen wie sie sind, oder helfen ihnen dabei sich selbst zu helfen. Nur Ungerechtigkeit nehmen sie nicht hin, und schlagen sich konsequent auf die Seite der Schwächeren. Nachhaltige Europäer, die mit dem Erreichten zufrieden sind, das sie verteidigen, wenn es bedroht ist. So stelle ich mir echte Europäer vor.

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Drei auf einen Streich (3) – Filmbesprechungen

Dritter Streich meiner auf moviepilot verfassten Kurzbesprechungen von mal mehr, und mal weniger sehenswerten Filmen:

NOT FADE AWAY (2012), David Chase

NOT FADE AWAY (2012)

Der Vorhang im ARRI Kino geht mit einem Geräusch auf, als würde er von einem protestierenden Esel aufgezogen. Das geschieht aber so rhythmisch, das es den folgenden Film geradezu mustergültig einzählt. NOT FADE AWAY ist ein Musikfilm, der mir ein Grinsen nach dem anderen ins Gesicht gezaubert hat. Er fängt anhand der 60er Jahre exemplarisch ein, was Rockmusik ausmacht, indem er vom Scheitern einer Band erzählt – daraus macht er keinen Hehl: wir erfahren es gleich zu Anfang, als wir Zeugen der Begegnung von Keith Richard und Mick Jagger werden, nur um kurz darauf einer ähnlich gestrickten ersten Begegnung zweier Musiker-Seelen beizuwohnen. Danach ertappt man sich doch immer wieder während des Films, dass man den Protagonisten ebenfalls Erfolg wünscht, da sie die richtigen, wenn auch schmerzhaften Entscheidungen treffen werden, vor die man in Bands eben gestellt ist, und der Durchbruch zunehmend in greifbare Nähe rückt. David Chase und Steven Van Zandt, der für die Musik verantwortlich war, lassen uns die fiebrige Zeit miterleben, zwischen Bandproben, den Stones, Beatles und Bo Diddley, Vinyl, Plattenläden, Covern und einer Zeit, in der noch zu- und hingehört wurde, und nicht alle Musik zur Berieselung in Supermärkten und Aufzügen taugte, sondern vor allem zum Knutschen. Man verliebt sich unweigerlich mit in Bella Heathcote, deren Gesicht man nicht vergessen wird, leidet mit dem zum Mick Dillan Verschnitt heran reifenden John Magaro mit, und folgt der präzisen Inszenierung willg bis zum viel zu frühen Ende. James Gandolfinfi hat einen wunderbaren Auftritt, in dem er seine Vaterfiguren um eine weitere Nuance bereichert. Die Natürlichkeit dieser Figur, mit minimaler Gestik und Körpersprache vorgetragen, machen in nur wenigen Szenen um so schmerzlicher bewusst, dass wieder ein großer Darsteller zu früh von uns gegangen ist. Es gibt eine Einstellung in diesem Film, wo er als letzter an der Kreuzung steht, seinem Sohn nach sieht, und sich auch die Kamera vo ihm fort bewegt – wir werden ihr nächstes Jahr während der „in memoriam“ Sektion bei der Oscar-Verleihung wieder begegnen – und er weiß, dass sie sich nicht wiedersehen werden. Herzzerreißend.

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Oh Boy – Ende der Schonzeit

Oh Boy. Oh Mann. Alter!!! Nach all den lobpreisenden Kritiken, dem Deutschen Filmpreis in x Kategorien sowie dem unspektakulären Trailer, sitze ich nun 3 Stunden nach Ende der DVD Sitzung mitten in der Nacht da, um hier kurz meine Gedanken öffentlich zu ordnen.

OH BOY (2012) Screenshot
Tom Schilling und Friederike Kempter in OH BOY (2012)

Zunächst muss ich wiedergeben, was man bisher nirgendwo lesen durfte, und einer oberflächlichen Inhaltsbeschreibung ähneln würde, käme darin nicht der Kern des Film zur Sprache, der als Elefant im Raum steht, und anscheinend von niemandem wahrgenommen wurde: OH BOY handelt von nichts anderem, als der Angst Vater zu werden.

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