Archiv der Kategorie: Gedanken

Stille Tatörtchen

Deutschland, das Land der Dichter Privatdetektive und Henker Ermittler. Am Deutschen Kriminalwesen soll die Welt genesen gestehen. Der Gärtner andere war’s. Was ist nur mit uns Deutschen los? Woher diese ungebrochene Faszination für den TATORT und andere Krimi-Formate?

Kreideleiche
Unsere sonntägliche Kreideleiche wiederhole bitte unter der Woche

Dabei bin ich selbst damit aufgewachsen. Ein wenig jedenfalls, weil noch lange vor Twitter, und der Eventisierung des Massensehverhaltens. In den 70er Jahren hat mich nichts zuverlässiger aus dem Wohnzimmer vertrieben, als die DERRICK-Titelmusik, dabei ist sie für sich betrachtet gar nicht so übel, dieses tolle Break im Tempo und der Instrumentierung, dann aber doch dieses behäbig Deutsche, das Möchtegern-Bond-Riff, der Tupfer Zirkusmusik und – ich schweife ab. Die Musik war halt noch das Beste, dabei gab es noch zu meinem Studium in den 90er Jahren Freunde, die darum einen Kult gezimmert haben – man kann sich halt alles schön reden, wenn man will und Spaß daran hat. Was gab es damals noch für Varianten des Immergleichen? Zum Beispiel DER ALTE, EIN FALL FÜR ZWEI und eben den TATORT. SOKO 5113 hab ich sogar manchmal aus Langeweile geguckt, weil nichts anderes kam, Gefallen fand zu meiner Überraschung am FAHNDER, ohne damals begreifen oder gar begründen zu können, woran das lag.

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Nein, für euch schreiben werd’ ich nicht!

Ich geb zu, ich habe damit geliebäugelt, als mich ein Kollege auf die Ausschreibung zu Racconti #3 hingewiesen hat – einem Script-Lab für Drehbuchautoren. Immerhin winkt den glücklichen Auserwählten dieses Mal gar der Aufenthalt in einem writers‘ room, noch dazu für eine Mystery-Serie. Das klingt doch wie ein auf mich zugeschnittener Traum, wieso also meine pathetische Reaktion als Mischung aus Reinhard Mey und Wolfgang Borchert?

Nein für all jene, denen das Wasser bereits weit über dem Hals steht
Nein für all jene, denen das Wasser bereits weit über dem Hals steht

Wieso also jetzt diese heftige Ablehnungsreaktion? Man leckt sich doch förmlich die Lippen nach den Gastdozenten Jeppe Gjervig („Borgen“) und David Schalko („Braunschlag“), aber Moment – Gastdozenten? Mit wem verbringt man denn dort seine Zeit, mit wem arbeitet man dort? Daniel Speck. So heißt die Hauptfigur in meinem NEULAND-Drehbuch, aber gemeint ist der Autor von MARIA, IHM SCHMECKT’S NICHT. Aber seien wir fair, das war eine Buch-Adaption. Was hat er noch geschrieben? MEINE VERRÜCKTE TÜRKISCHE HOCHZEIT. Einen „ausgezeichneten“ Fernsehfilm. Also mit Preisen. Fernsehpreisen. Weitere Filmtitel erspare ich mir aufzuzählen. Ich will den Kollegen jetzt nicht vorverurteilen, schließlich habe ich keinen der genannten Filme gesehen, und vielleicht hat er ja Bock darauf mal was ganz anderes zu schreiben. Nein, was mich wirklich ankotzt sind diese ewigen Programme, Lehrgänge und Förderungen, nicht die Kollegen.

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Drei auf einen Streich (7) – Filmbesprechungen

Nach zwei sehr deutschlastigen Ausgaben war es mal Zeit für eine bunte Filmmischung aus in den letzten Wochen auf moviepilot erschienenen Kommentaren:

BEING THERE (1979), Hal Ashby

BEING THERE (1979)

BEING THERE von Hal Ashby ist wie die Kehrseite von Sidney Lumet’s NETWORK zu sehen: Letzterer blickt hinter die Kulissen des Fernsehens, dafür zeigt Ersterer um so präziser, was dieses Medium aus den Menschen vor den Apparaten macht. Beide Filme hintereinander zu sehen müßte einen eigentlich dazu bewegen, das Kabel aus der Wand und die Antenne vom Dach zu reißen – glücklicherweise ist das bei immer mehr Menschen längst geschehen, und so wird man in wenigen Jahren auf diese zwei Filme zurück blicken und ungläubig den Kopf schütteln. Ja, auch ich habe einen Traum…

Nun zum Film. Vielen mag er heute zu langsam erscheinen, aber nur weil wir nicht mehr die Geduld aufbringen länger irgendwo in die Bilder und Einstellungen zu schauen. Auch ein Effekt des Fernsehens. Doch, doch, ich erinnere mich an Schnitt-Jobs, bei denen mir die gleiche Sequenz abgenommen wurde, nachdem auf Bitte des Redaktuers nur häufiger zwischen den gleichen Takes völlig unmotiviert hin und her geschnitten wurde. ADHS für den Zuschauer, damit ja niemand in Versuchung kommt die Bilder, die er sieht, zu lesen und fest zu stellen, dass dort gar nichts steht. Schnitt um des Schnitts Willen, ohne Sinn und Verstand. Nicht so in diesem Film. Hal Ashby war bereits ein begnadeter Cutter (man denke allein an die legendäre Schachspielsequenz aus THE THOMAS CROWN AFFAIR, 1968), ehe er ins Regiefach wechselte, und das Timing dieses Films ist absolut perfekt. Eine Wohltat, so etwas zu sehen! Schneller geschnitten würde der Film nämlich gar nicht funktionieren. Man muss Peter Sellers beobachten können, begreifen, dass sich in diesem Kopf nichts tut, er nur wie ein verunsicherter Automat auf seine Umwelt reagiert, mit den beschränkten Mitteln, die ihm zur Verfügung stehen. Da verlässt er nach Jahrzehnten „seinen“ Garten, tritt vor die Tür, und bleibt doch stets Gefangener seiner kleinen Welt, die Abwechslung nur durch eine Fernbedienung herstellen kann. Das eigentliche Mysterium des Films ist, was er eigentlich auf den Kanälen sucht, welches Programm, was in ihm überhaupt den Impuls zum Umschalten auslöst, oder ob dies in einem ebenso gleichmäßigen Zeitintervall stattfindet, wie der Rest seines Lebens.

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„Das Gegenteil von Hass ist Verliebtheit…“

Was ich meinem Sohn erzähle – 006

„… das von Liebe das Nichts.“ – Immer mal wieder beschäftigen meinen Sohn Trennungsängste, dass sich Papa und Mama mal nicht mehr „lieb haben“ könnten, weil er beispielsweise auf einem Ohr mitbekommen zu haben glaubt, dass wir uns streiten. Manchmal tun wir das, keine Frage, aber meistens argumentieren wir nur, was auch emotional und laut werden kann. Liebe muss aber nicht immer harmonisch sein. Wenn man einander vertraut, dann spricht man ebenso über schwere Dinge, wie über banale. Feinheiten wie Ironie entgehen ihm manchmal (wie heute), das Gewitzel der Geschlechter begreift er hingegen schon fast wie ein Großer. Wie dem auch sei, ich versuchte ihm dann zu erklären, dass wir ihn doch auch dann lieb haben, wenn er mal Mist gebaut hat, dass er immer unser Kind ist, egal was passiert, dass wir ihn in Schutz nehmen, uns vor ihn stellen, für ihn da sind. Genauso umgekehrt: Er selbst liebt uns ja auch dann noch, wenn wir Fehler machen. Das hat er gleich eingesehen. Liebe schließt nicht aus, das man mal wütend auf jemanden ist. Nur die Wut vergeht, der Ärger verfliegt, die Liebe bleibt. Geduld mit Menschen zu haben ist ein Weg zur Liebe.

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Drei auf einen Streich (6) – Filmbesprechungen

Zu meiner eigenen Überraschung schiebe ich auch in dieser Folge einen Schwung deutscher Filme nach – wie immer bereits in den letzten Wochen auf moviepilot, der Filmplattform meines Vertrauens besprochen:

DIE ANDERE HEIMAT (2013), Edgar Reitz

DIE ANDERE HEIMAT (2013)

Er hat es wieder geschafft. Der unermüdliche, unbeirrbare Chronist Edgar Reitz nimmt uns noch einmal an die Hand, führt uns durch die Zeit, zurück in den Hunsrück, nach Schabbach, aber auch zurück in der Zeit. So weit zurück in der Zeit, dass sich diesmal der Kreis schon fast wieder schließt, denn so fern ist diese Vergangenheit von unserer möglichen Zukunft nicht. Um so mehr lohnt ein genauerer Blick.

Die Freude darüber, dass sich der Dickschädel von Edgar Reitz noch einmal gegenüber der deutschen Förderhölle durchsetzen konnte, ist ihm gar nicht hoch genug anzurechnen. Und ohne einen weiteren Deutschen Dickschädel – den von Günter Rohrbach, der sich unlängst darüber ausgelassen hat, dass es heute fast unmöglich ist einen Redakteur ans Telefon zu bekommen – wäre dieses mal vielleicht gar nichts daraus geworden. Es ist ja keine Serie geworden, nicht wieder um einige Episoden kürzer, wie beim letzten Mal bei HEIMAT 3, und dem ganzen zugehörigen Hickhack um die geschnittenen Szenen der TV-Ausstrahlung. So ist dieser Kinofilm vielleicht eine Kompromisslösung gewesen, der als “Event-Zweiteiler” irgendwann nächstes Jahr in der ARD rausgehauen wird. Mir schwant auch, dass der Epilog auf das Betreiben eben jener Redaktionen zurück zu führen ist, die sich dort “etwas fröhlicheres” gewünscht haben, aber ehe ich mich jetzt in Verschwörungstheorien verliere, lasst mich lieber von dem Film erzählen:

Schon die erste Einstellung führt uns einmal ganz herum, und Gernot Roll darf endlich(!), nach all den Jahren, auch in der Vergangenheit die andere Straßenseite der Simon’schen Schmiede zeigen. Überhaupt ist dessen Kamera, gepaart mit der überwältigenden Leistung des Production Designs und der Ausstattung eine Wohltat – hier steht die Scheiße auf der Straße, Deutschland steckt fest im Dreck, und man kann sich schnell in dem Ort orientieren, fühlt sich dort Zuhause. Allein wie eine ausgewählte enge Gasse erzählt wird, die immer mal wieder von Bedeutung sein wird, sei hier als Beispiel heran gezogen. Aber dann landet schon ein Buch im Dreck, der erste Schnitt schmeißt uns ebenso wie Jakob Simon in die Geschichte des Films. Von ihm erzählen schon die anderen Kommentare zum Film genug. Großartig gespielt von dem Schauspiel-Neuling Jan Dieter Schneider, womit Edgar Reitz zum wiederholten Male beweist, was er mit seiner Schauspielführung aus Laien hervor zu kitzeln in der Lage ist. Nicht nur er, nahezu die ganze Besetzung hat man noch nie gesehen, und stand wohl auch noch nie vor einer Kamera. Das fällt höchstens bei Maximilian Scheidt, der den Schmied und Vater spielt zu Anfang noch auf, aber im Laufe der Dreharbeiten ist auch er an seiner Rolle gewachsen. Ebenso famos besetzt ist Jettchen, der love-interest von Jakob, die von Antonia Bill unwiderstehlich verkörpert wird. Einzig Marita Breuer ragt aus dem Ensemble heraus, stellt sie doch (neben dem Hunsrück) unmissverständlich die Verbindung zu den anderen Mutterfiguren in den HEIMAT Chroniken her.

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