Archiv der Kategorie: Film

Drei auf einen Streich (12) – Filmbesprechungen

Fish Tank (2009), Andrea Arnold

Kraftvoller kann man Kino kaum machen. Vom ersten Bild an wird man in eine Welt geschmissen, und man bleibt bis zum Ende an der Protagonistin kleben, taucht ein in ihren Alltag, ihre Welt. Das liegt nicht nur an der Kamera und dem viel zu selten genutzten Format 1,33 : 1 (was für eine Wohltat! Abwechslung! Jucheisasa!), das Kameramann Robbie Ryan ermöglicht Michael Fassbender auch mal aus dem Bild zu lassen, und weiter förmlich an Katie Jarvis zu kleben. Großartige Kamera, ja, aber natürlich weil die mindestens ebenbürtige Meisterschaft des Cutters Nicolas Chaudeurge im wahrsten Sinne des Wortes übersehen wird! Spitzenleistung, auf den Punkt, Hut ab. Hier ist ein Filmteam am Werk, dass seit des ersten Kurzfilms von Regisseurin Andrea Arnold zusammenarbeitet, das aufeinander eingespielt ist, einander blind vertraut. Ein Kameramann, der weiß, dass der Cutter alles aus seinem Material herausholt was geht, der bewegt sich am Set anders, und die Regisseurin kann ebenfalls viel befreiter inszenieren. Das einzige mir bekannte Team, das da noch mithalten kann, ist jenes um Jacques Audiard in Frankreich. Spitzenfilm, überhaupt nicht mein Thema, aber so einfühlsam erzählt, dass man bis zum Ende dabei bleibt, ohne jemanden in dem Film mögen zu müssen. Das muss man erstmal nachmachen.

Drei auf einen Streich (12) – Filmbesprechungen weiterlesen

Überleben ist nicht genug

Warum die HBO-Serie STATION ELEVEN gerade die beste nicht verschreibungspflichtige Medizin gegen Covid-Blues darstellt, und außerdem die gewohnten Genre-Grenzen der Postapokalypse sprengt.

Nach zwei Jahren Pandemie sich wir alle reif für ein Licht am Ende des Tunnels, selbst wenn es sich nur als Lampe eines Leuchtfischs auf Landurlaub entpuppen sollte, der uns verschlingt. Aber in STATION ELEVEN lauern uns weder Kannibalen auf, noch müssen wir vor Zombies die Flucht ergreifen, ja nicht einmal Viren verursachen uns Fieber, sondern höchstens der bevorstehende Theaterauftritt – Halt! Stop! Bitte nicht gleich weg laufen! Auch diejenigen können hier beruhigt weiterlesen, die dem Theater um das Theaterspielen noch nie etwas abgewinnen konnten, ich bin ja selbst hochgradig allergisch dagegen.

Überleben ist nicht genug weiterlesen

gimme a band before midnight

Wer kennt sie nicht, die Projekte, die weder fertig werden, noch einen jemals loslassen? Man weiß, dass zur Fertigstellung hier und da noch was fehlt, und mit jedem Jahr, das vergeht wird es unwahrscheinlicher, dass sich die Lücken je schließen lassen, eher tun sich noch neue auf. Aber manchmal – nur manchmal – passiert das für unmöglich gehaltene, man hat ausnahmsweise mal gleichzeitig einen Geistesblitz der tatsächlich funktioniert, Zeit, Muße und das nötige Durchhaltevermögen (wenn auch sonst keins). Und so begab es sich dieses Jahr, dass ich mit einer Dekade Verspätung den Abbahead-Film in eine abschließende Form gebracht habe.

Nachdem ich hier gleich den fertigen Film einbinde, möchte ich noch ein paar Gedanken dazu festhalten, gewissermaßen das dazugehörige Not-making-of-making-doch, und was mein Bauchgefühl damit zu tun hat.

gimme a band before midnight weiterlesen
Filmplakat-Motiv UNDINE

“Man muss es halt nur sehen”

Interview: Jens Prausnitz, Fotos: Marco Krüger

Mit ein paar Wochen Verspätung ist UNDINE (2020) von Christian Petzold nun im Kino angelaufen, und es gibt diesen Sommer sicher keinen schöneren Film, um eines der wieder geöffneten Kinos zu besuchen. Wer danach mehr über die ausgezeichnete Bildgestaltung der Filme des Regisseurs wissen möchte, ist hier goldrichtig, denn sein Kameramann Hans Fromm hat mir im Interview viel darüber erzählt. Sogar so viel, dass dafür in meinem Stammmagazin, für das ich sonst schreibe, nicht genug Platz war, so dass man die andere Hälfte jetzt eben hier lesen kann.

Seine Bildgestaltung spricht zwar bereits für sich, aber die kräftige, tiefe, dabei aber doch sanfte Stimme zu hören, weckt dann doch den Wunsch in einem, er möge in Zukunft bitte noch Hörbücher einsprechen. Zwar kann man seinen Münchner Ursprung nach all den Jahren in Berlin noch immer heraushören, aber das trägt nur weiter zu seinem markanten Charme bei, dem nicht nur Christian Petzold erlegen ist.

“Man muss es halt nur sehen” weiterlesen

Zehn Minuten Widerstand

Wie 2018 ein Film zum Thema „Widerstand“ an der Willy Brandt Schule in Warschau entstand und in Leipzig uraufgeführt wurde. Anschauen könnt ihr ihn natürlich auch.

Vielleicht erinnert sich jemand an meine Filmgruppe, über die ich vor 18 Monaten schon einmal einen Artikel geschrieben habe? Letztes (und ebenso vorletztes) Jahr hatte ich einmal mehr die Gelegenheit, sie bei einem Projekt begleiten zu dürfen, wenn auch in leicht veränderter Zusammensetzung – worauf ich noch zu sprechen kommen werde.

Ausgangspunkt war ein internationales Schulprojekt der Goerdeler Stiftung zum Thema Widerstand, an der einige deutsche Auslandsschulen teilnahmen, inhaltlich jeweils auf ihr Gastland bezogen. Film war dabei eine (mögliche) Form sich damit zu beschäftigen, und gleichzeitig Beleg der (hoffentlich) gelungenen Auseinandersetzung. Mein eigener Widerstand bestand allerdings gleich zu Anfang in der vor meiner Teilnahme breit diskutierten, reportagehaften Form, mit allem, was einem Filmfan die Augenlider schützend senken lässt: von eingeblendeten Land- und Stadtkarten, Statuen, Denkmälern, historische Plätzen, Voiceover und sehr sehr viel trockener Informationsvergabe war die Rede. Das war sicher pädagogisch wertvoll konzipiert, aber mit Filmsprache, Motivation, Identifikation, Humor oder gar Spannung hatte das rein gar nichts am Hut. Ich sah das jugendliche Publikum bei der Vorführung schon während des Vorspanns wegdösen. Mein Fokus lag darauf, es etwas länger wach zu halten, und daher plädierte ich für einen narrartiven Ansatz, der auf einem persönlichen Zugang der jungen Erwachsenen (zwischen 16 und 18 Jahren) zur polnischen Geschichte basiert: was hat diese mit ihnen zu tun, jetzt, hier und heute? Davon ausgehend lief es dann beinahe wie von selbst.

Zehn Minuten Widerstand weiterlesen