Archiv der Kategorie: Gedanken

Camerimage 2014

Eine Liebeserklärung an das Filmfestival für Kameramänner und Kamerafrauen, sowie alle die es werden wollen schlechthin: Camerimage in Bydgoszcz, Polen. Es ist die 22. Ausgabe, mein zehntes Mal, und Zeit für eine Bilanz, um meiner schleichenden Entfremdung auf den Grund zu gehen.

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Festivalkrimskrams

Dieses Festival ist etwas besonderes. Kein anderes hat eine derart familiäre Atmosphäre, was vielleicht auch daran liegt, das seit jeher Filmstudenten, die sich üblicherweise kein Hotelzimmer leisten können, bei Gastfamilien unterkommen, um dort mit der polnischen Gastfreundschaft konfrontiert zu werden, deren Herzlichkeit eben so rührend, wie reichhaltig an Kalorien ist. So erlebte ich selbst vor mittlerweile 15 Jahren mein erstes Camerimage, damals noch in Toruń, wie auch ein weiteres Mal in Łódź, danach nur noch in Hotels, in denen es fast immer Schwierigkeiten mit der Internetverbindung gab – was sich leider auch aktuell in Bydgoszcz fortsetzt. Seitdem schlafe ich dort zwar immer noch nicht viel mehr, aber verbringe deutlich mehr Zeit im Kino als auf den legendären Partys, die auch schon mal mit gefühlt 50 Studenten auf dem Hotelzimmer von Chris Doyle enden können. Dessen Schnapsnase begegnet man dort alle paar Jahre, und irgendwann hat man sich an seine Punk-Attitüde gewöhnt, und macht einen Bogen um ihn. Am anderen Ende des Spektrums begegnet man vollendeten Gentlemen wie Billy Williams, und seit ein paar Jahren auch Schnitt-Legenden wie Thelma Schoonmaker oder Pietro Scalia.

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Drei auf einen Streich (11) – Filmbesprechungen

Ein überfälliger Dammbruch, eine positive Überraschung sowie ein viel zu unbekanntes Meisterwerk bilden diesmal das Trio aus launigen Filmbesprechungen, die ich auf moviepilot verfasst habe:

MARTHA (1974), Rainer Werner Fassbinder

MARTHA (1974)

Im zweieinhalbten Anlauf endlich geschafft. Beim ersten Mal zu spät angefangen, und dann von dem fürchterlich lauten Sprechen in der Szene in der Deutschen Botschaft erschreckt worden – dabei ist es so eine wunderbare Telefon-Horror-Szene, die auch blendend zu einem unter Drogen stehenden David Lynch gepasst hätte.

Beim zweiten Mal sehen kam ich weiter, schlief zwischendurch ein (um es noch einmal zu unterstreichen, nicht wegen des Films, sondern weil ich meistens erst viel zu spät zum Filme schauen komme, den Ausgleich und Kontrast zum Alltag aber so nötig habe wie den Schlaf), und holte das versäumte am nächsten Tag nach. Ich gebe zu, dass ist nicht die Art und Weise sich Fassbinder zu nähern, aber es hat weit mehr als diesen Anlauf gebraucht, und endlich habe ich etwas kapiert: Seine Filme haben überhaupt nicht die Absicht zu unterhalten, sondern die Absicht dass man sich über sie unterhält. Dieses Unterhaltungsverständnis ist uns heute dermaßen fremd, dass wir von diesen Filmen abgestoßen werden, statt von dem, was sie ausstellen und plakativ darstellen. Denn was Fassbinder uns zeigt, ist ein gnadenloser Röntgenblick auf unsere (damalige Spieß-)Gesellschaft, in der er keine Gefangenen macht, er versorgt und mit Stoff, Gesprächsstoff, den wir auch heute noch bitter nötig haben. Er hegt keine Sympathien für die Menschen, die er zeigt, führt sie aber auch nicht vor, zeigt sie wie sie sind. Sie sprechen künstlich ihre Befindlichkeiten aus, was sehr Merkwürdig wirkt, aber irgendwann als Methode erkennbar wird. Denn so sehr die Menschen hier ihr Befinden auch auf der Zunge tragen, es ändert nichts an ihrem meist dummen Verhalten, das eben nur selten zum Gesagten passt. Jeder ist Gefangener seiner eigenen kleinen Welt, und bricht doch nie aus ihr aus. Meine Fresse, ist das alles bitter.

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Ausgelacht

Wer in den späten 70er und den 80er Jahren in Deutschland aufgewachsen ist, kam an seinen Geschichten nicht vorbei, denn er hat sie alle geschrieben: Justus Pfaue, eine deutsche Drehbuchautoren-Legende. Er verstarb am vorletzten Wochenende im Alter von 71 Jahren, und das Fehlen würdiger, ausführlicher Nachrufe und Programmänderungen machen mich gerade so traurig, dass mir das Lachen ebenso vergangen ist, wie einer seiner berühmtesten Schöpfungen bzw. Romanadaptionen – Timm Thaler:

Pilotfolge von Timm Thaler

Deutlicher kann es das ZDF nicht zum Ausdruck bringen, was es von seinen Autoren, bzw. der Erinnerung an seinen einstigen Star-Autoren hält. Da werden zwei Fernsehfilme am Nachmittag auf zwei Kanälen ins Programm gehievt, ein paar Meldungen in den Nachrichten, das war’s, nicht einmal eine Talkshow nimmt sich seiner an – das allerdings ist vielleicht sogar als Glücksfall zu werten. Das ist ebenso Armutszeugnis wie eine Frechheit. Man schäme sich in Mainz bitte in Grund und Boden.

Angemessen wäre es gewesen, eine seiner Serien wieder ins Programm zu nehmen. Damit könnte man deutlich machen, das wir mal eine goldene Zeit der Kinder-Serien hatten, bei denen die ganze Familie vor dem Fernseher zusammen kam. Manches wirkt aus heutiger Sicht altbacken in der Inszenierung, doch erzählerisch hat man sich damals mehr getraut als heute. Man vergleiche bitte SILAS mit – ach egal womit! Unsympathische Erwachsene wohin das Auge blickt, das gibt es heute nur in den hochgelobten amerikanischen (und dänischen/skandinavischen, etc.) Qualitätsserien. Bei uns wird man einen Teufel tun und das Publikum daran erinnern, dass es das bei uns alles bereits einmal gab. In Serie. Also bloß ja keine schlafenden Hunde wecken.

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