Wir verlernen zu Schauen. Wir halten permanent Ausschau, nach der nächsten Qualitätsserie, der nächsten Phase einer Franchise, der nächsten Fortsetzung. Daran selbst ist wenig auszusetzen. An der damit einhergehenden Ruhelosigkeit, der Angst etwas zu verpassen hingegen schon. Sie lähmt uns, hemmt unseren Genuss. Die Gleichzeitigkeit der Berichterstattung und Reaktionsvideos zur Ausstrahlung erzeugt einen Druck, der uns blind und taub macht, die Authentizität der unmittelbaren Reaktion unserer Reviews tauschen wir ein gegen tiefergehende Erkenntnisse, die erst in uns heranreifen und durch mehrmaliges Sehen bestätigt werden müssen. Für eingehendere spätere Analysen gibt es keinen Markt mehr, längst hecheln wir dem nächsten Trend hinterher, der gerade eben angelaufen ist. Übersättigung ist das, nein, schlimmer noch: Völlerei, seriell-industrielle Völlerei, weil alles probiert werden muss, selbst wenn man längst keinen Hunger mehr hat. Immer neue Gerichte werden uns aufgetischt, zum wiederholten Kochen eines Ausnahmegerichts bleibt kaum mehr Zeit, oder zum aaufwärmen von Speisen, die erst noch ziehen müssen, ehe sie ihren vollen Geschmack entfalten. Mit Serien und Filmen ist es genauso. Gut, als Kritiker oder Medienjournalist kommt man vielleicht nicht umhin sich professionell damit auseinanderzusetzen und wir teilen uns die Arbeit auch auf, trotzdem kann ich meine Unzufriedenheit mit der Gesamtsituation nicht länger verbergen, ich bin zu alt für diesen Scheiß. Sprung vom fahrenden Zug weiterlesen
Archiv der Kategorie: früher vs heute
Camerimage 2014
Eine Liebeserklärung an das Filmfestival für Kameramänner und Kamerafrauen, sowie alle die es werden wollen schlechthin: Camerimage in Bydgoszcz, Polen. Es ist die 22. Ausgabe, mein zehntes Mal, und Zeit für eine Bilanz, um meiner schleichenden Entfremdung auf den Grund zu gehen.
Dieses Festival ist etwas besonderes. Kein anderes hat eine derart familiäre Atmosphäre, was vielleicht auch daran liegt, das seit jeher Filmstudenten, die sich üblicherweise kein Hotelzimmer leisten können, bei Gastfamilien unterkommen, um dort mit der polnischen Gastfreundschaft konfrontiert zu werden, deren Herzlichkeit eben so rührend, wie reichhaltig an Kalorien ist. So erlebte ich selbst vor mittlerweile 15 Jahren mein erstes Camerimage, damals noch in Toruń, wie auch ein weiteres Mal in Łódź, danach nur noch in Hotels, in denen es fast immer Schwierigkeiten mit der Internetverbindung gab – was sich leider auch aktuell in Bydgoszcz fortsetzt. Seitdem schlafe ich dort zwar immer noch nicht viel mehr, aber verbringe deutlich mehr Zeit im Kino als auf den legendären Partys, die auch schon mal mit gefühlt 50 Studenten auf dem Hotelzimmer von Chris Doyle enden können. Dessen Schnapsnase begegnet man dort alle paar Jahre, und irgendwann hat man sich an seine Punk-Attitüde gewöhnt, und macht einen Bogen um ihn. Am anderen Ende des Spektrums begegnet man vollendeten Gentlemen wie Billy Williams, und seit ein paar Jahren auch Schnitt-Legenden wie Thelma Schoonmaker oder Pietro Scalia.
Zukunftsaussichten
Sehen wir der Wahrheit ins Auge. Wenn es um die berufliche Zukunft unserer Kinder geht, können wir uns weder Hoffnungen auf die Politik machen, noch auf den freien Markt. Egal wie sehr wir als Eltern zusätzlich privat in die Bildung unserer Kinder investieren, mit Privatstunden, teuren Schulen, Praktika und hastenichgesehen – auf dem zukünftigen Weltmarkt werden sie keine Perspektive mehr haben, es sei denn sie prostituieren sich für ein Taschengeld an jenem Ende der Welt, wo sich gerade das Kapital des Bruchteils eines Prozentes tummeln wird. Selbst die besten Köpfe werden nur so lange eine Chance in ihrem sich schließenden Zeitfenster haben, bis das nächste, noch verzweifelter um seine Existenz (und die seiner Nächsten?) Talent es für noch weniger, schneller, und vielleicht sogar tatsächlich besser machen wird. Wo wir uns versklaven lassen, uns unterordnen und ausbeuten lassen, haben wir noch eine Zukunft.
Buster Keaton in ONE WEEK (10920)
Die zunehmende Bedeutungslosigkeit der Staaten, egal ob Demokratien, Gottesstaaten oder Diktaturen, macht Platz für ein Model der Global Player, die mehr und mehr zusammen wachsen. Bald wird man sich bei Vollendung des 18. Lebensjahres entscheiden müssen, ob man in der facebook-, Google– oder Apple-Welt leben will, und entweder bei Aldi, Lidl oder Real sein Retortenessen einkaufen. Für ein Dazwischen wird es sehr bald keinen Platz mehr geben, die verbliebenen Banken und Hedgefonds ziehen die Fäden, und für Privates ist weder Platz noch Zeit.
Das einzige Modell was wir dem zumindest kurzfristig noch entgegen halten können ist die wohl letzte Unternehmensform, die langfristig denkt, in Generationen, und nicht im Sinne kurzfristiger Gewinne: Das Familienunternehmen. Zunächst ist das der einzig verbliebene Versuch unseren Kindern eine nachhaltige Zukunft zu garantieren, damit sie selbst später ins Unternehmen einsteigen können, wenn sie mit der Schule und dem Studium, das man sich wohl bereits “sparen” müssen wird, fertig sind (und nicht umgekehrt die Schule mit ihnen). Mit etwas Glück kann man dieses Unternehmen noch auf Freunde und Wahlverwandte ausdehnen, sich zusammen tun, und uns so dem Leben der Clans und Stämme wieder anzunähern, das wir hinter uns gelassen zu haben glaubten.
Unsere Mütter, unsere Väter – Blick in einen Trümmerhaufen
Wieder einmal haben wir den Versuch unternommen vom Krieg und den Nazis zu erzählen, und wieder sind wir an diesen Bildern gescheitert. Aber ist es nicht der Versuch auf den es ankommt, nicht das Scheitern? Ich wünschte es wäre so einfach.
Tom Schilling in Teil 1 von UNSERE MÜTTER, UNSERE VÄTER
Doch der Reihe nach. Der Berichterstattung im Vorfeld der TV-Ausstrahlung konnte man sich nicht entziehen, allerorts wurde darüber berichtet und durch die Reihe weg gelobt. Vereinzelt gab es dann die üblichen Hinweise auf Fehler, historische Ungenauigkeiten, Mängel in der Dramaturgie und Sprache. Nicht wenige haben den Selbstversuch entnervt abgebrochen, ohne das Ende zu kennen. Ja, es gibt bessere Filme über den Krieg, auch Deutsche. DIE BRÜCKE, 1959 wird gerne heran gezogen, aber auch im Fernsehen hatten wir schon 1960 AM GRÜNEN STRAND DER SPREE den Russlandfeldzug thematisiert, auch wenn dort noch an der Legende böse SS und gute Wehrmacht gestrickt wurde. Die Liste lässt sich verlängern: in den 70er Jahren gab es den Aufschrei nach der HOLOCAUST-Serie, in den 80ern kam DAS BOOT und HEIMAT, die verunglückte Verfilmung der Tagebücher von Victor Klemperer Ende der 90er. Was dann folgte, waren die entsetzlichen Feelgoodmovies und Neo-Heimatfilme, wie sie Georg Seeßlen in seinem Aufsatz “Neue Heimat, alte Helden” 2008 einordnete: DIE GUSTLOFF, DER UNTERGANG und DRESDEN, HINDENBURG. Ein Genre, in dem sich nach Joseph Vilsmaier nun Nico Hoffmann und seiner Firma Teamworx bequem eingerichtet haben, und nicht mehr nur bei den Privaten Rummel machen, sondern auch ROMMEL für die ARD. Wobei diese letzten Produktionen einen genaueren Blick verdienen, erfolgt doch eine Einbettung in einen Programmkontext mit Dokumentationen und Talkshows, die die Seriosität der fiktionalen Programme unterstreichen sollen. Ein Ansatz, der bei UNSERE MÜTTER, UNSERE VÄTER wieder zum Einsatz kommt.
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Fernsehjournalismus
früher vs heute – 001
Früher war nicht alles besser, und heute ganz bestimmt nicht. Trotzdem möchte ich in dieser Rubrik gelegentlich ausgewählte Beispiele einander gegenüber stellen, um sie in ihrem Kontrast für sich selber sprechen zu lassen. Den Anfang macht der Fernsehjournalismus. Man stelle sich vor, bei einem der „Quatschköpfe“ heute wäre jemand von DIE LINKE zu Gast. Nein, der Vergleich hinkt, eigentlich müßte es jemand von der RAF sein, gäbe es sie noch. Jedenfalls hier nun ein Beispiel aus den späten 60er Jahren:
[youtube http://www.youtube.com/watch?v=U6X-ZeYC54E]
Zu Protokoll: Günter Gaus im Gespräch mit Rudi Dutschke
Allein diese Anmoderation! Die Sprache! Das Niveau! Den Gast aussreden lassen! Meinungsfreiheit!
Und im Vergleich dazu unser tägliches Trauerspiel von heute.
Einfach nur zum Kotzen.