Wer kennt sie nicht, die Projekte, die weder fertig werden, noch einen jemals loslassen? Man weiß, dass zur Fertigstellung hier und da noch was fehlt, und mit jedem Jahr, das vergeht wird es unwahrscheinlicher, dass sich die Lücken je schließen lassen, eher tun sich noch neue auf. Aber manchmal – nur manchmal – passiert das für unmöglich gehaltene, man hat ausnahmsweise mal gleichzeitig einen Geistesblitz der tatsächlich funktioniert, Zeit, Muße und das nötige Durchhaltevermögen (wenn auch sonst keins). Und so begab es sich dieses Jahr, dass ich mit einer Dekade Verspätung den Abbahead-Film in eine abschließende Form gebracht habe.
Nachdem ich hier gleich den fertigen Film einbinde, möchte ich noch ein paar Gedanken dazu festhalten, gewissermaßen das dazugehörige Not-making-of-making-doch, und was mein Bauchgefühl damit zu tun hat.
Vor 10 Jahren war ich in Regensburg mit meiner damaligen Kamera Zeuge des ersten Auftritts von Abbahead, zu dem mich mein Freund Wolfi eingeladen hatte. Sie spielten zusammen mit einigen anderen Bands zu Ehren des legendären Lokalhelden Heinze im „Leeren Beutel“ an dessen Geburtstag. Ihm galt daher auch das entsprechende Ständchen im Film, wie auch das einleitende Plakat aus dem Jahre 2010, das er als lockiges Motiv zierte.
Wo ich schon mal da war, drehte ich auch gleich noch die Generalprobe und den Soundcheck mit. Schon beim Drehen hatte ich einigen Spaß, und hätte den einen oder anderen Abend gerne meine Kamera mit dabei gehabt. Warum? Weil ich tolle Geschichten hörte, einzigartige Menschen kennenlernte, und das Gefühl nicht los wurde, das hier mehr zu drehen war, als „nur“ ein Konzert. Hier war eine lebendige Musikszene, die in verschiedensten Besetzungen miteinander musizierte, in der diejenigen, die heute auf der Bühne standen, morgen im Publikum neben einem stehen konnten, wenn gerade eine jener anderen Kapellen ein Konzert gab. Dazwischen gab es eher ungeliebte Jobs, nötigen Bier- und Broterwerb, Kneipen, und bis 11 belärmte Proberäume. Und was soll ich sagen, das gefiel mir alles sehr. Genau das wollte ich gerne zeigen, eine andere Art von Freizeitgestaltung, die wohl mehr mit Kammermusik gemein hatte, als mit einem gemütlichen Fernsehabend. Niemand erwartete hier mit Musik berühmt zu werden, sondern hier lebte ein sich selbst erhaltendes Perpertuum Rockele ungestört vor sich hin. Ob ich daraus vielleicht einen richtigen Film machen sollte? Über diese Szene?
Bei dem Mini-Festival standen Tom, Wolfi und Done schon vor Abbahead auf der Bühne, als Alison Steel – was auch erklärt, warum Wolfi im Film beim Bass-Soundcheck zu sehen ist. Und Tom saß bei einer der verbliebenen Bands mal hinter dem Schlagzeug, und Gotscher begleitete ihn dort am Bass. Wie ich schon sagte, hier konnte jede/r mit jedem, und das gefiel mir. Darüber sollte und wollte ich definitv einen längeren, größeren Film machen!
Dann kamen die technischen Probleme beim Auftritt, einmal ging mittendrin die richtige Tonaufnahme (die vom Mischpult) flöten, zu der ich meine Bilder eigentlich schneiden wollte, denn mein externes Mikro war schlicht dem Schalldruck nicht gewachsen, da half auch die Doppelaufnahme-Strategie mit zweitem Kanal -6 dB leiser aufgezeichnet nicht mehr weiter – jedenfalls nicht wenn man damit gerade direkt neben der PA steht, wegen dem besseren Bildwinkel.
Das war für sich schon kacke, dann war aber auch noch das Bild des Gegenschnitt-Camcorders ungeeignet für das, was ich aus meiner DSLR (Canon 550d) herausholte, und soff im Vergleich dazu als weicher, dunkler Matsch ab. Doch dessen Tonspur erwies sich immerhin als Rettung in der Not, war besser als nix. Dafür überhitzte dann noch meine Kamera im Dauerbetrieb 2x so sehr, dass es zur automatischen Selbstabschaltung kam. Fuck. Aber vielleicht ginge ja was mit der Zugabe? Damit hatte ich ja was doppelt… einfach mal reinschauen, dann erst jammern. Bis dahin: Weitermachen.
Übersteuerter Ton. Grenzwertig dunkle Bilder, zum Teil so laut, das die Vibration noch den Chip tanzen ließ, na das konnte heiter werden. Und doch… hatte ich schon Sachen entdeckt, die zu schön, lustig oder berührend waren, als das ich sie löschen wollte. Und an diesem Grundgefühl änderte sich 10 Jahre lang nichts.
Daheim überlegte ich dann, ob ich nicht doch versuchen sollte das irgendwie zusammen zu schneiden. Wenigstens in Teilen. Ja, aber welche? Die Idee war gut, aber mein damaliger Rechner für die Aufgabe zu langsam. Um überhaupt ansatzweise damit arbeiten zu können, musste ich es vom h.264 Codec in einen anderen konvertieren, und die Wahl fiel hier auf ProRes – so weit, so gut, nur dauerte das erstens ewig, und diesmal lief mein Rechner heiß, wie zuvor die Kamera. Zwar nicht zur Selbstabschaltung, aber mir stand der Angstschweiß auf der Stirn. Als ich dann endlich das Material ansehen konnte, wollte ich es nur ein bisschen aufhellen, aber kaum legte ich einen einfachen Farbkorrektur-Effekt drauf, ging mein Rechner wieder in die Knie. Hallo 2010 mit Macbook Pro von 2004 (oder noch älter). So konnte ich unmöglich damit arbeiten. Das Unglück nahm seinen Lauf, die Monate zogen ins Land. Die (bezahlte) Arbeit rief. „Labor of love“ musste sich hinten anstellen.
Was mir im Hinterkopf blieb war die Überlegung, vielleicht trotzdem nochmal für ein paar Tage hin zu fahren, um jeden von der Band mal einen Tag zu begleiten, kurze Interviews mit ihnen zu machen, etwas in der Art. Nur hatte ich ja auch noch einen Job, und die ja auch, und so verlief sich das erstmal im Sand, der ins Getriebe des potentiellen Films rieselte. Vielleicht wenn ich einen Geldgeber fände? Ha ha, ja genau.
Es gab zwar inzwischen sogar Studioaufnahmen einiger der Songs, sowie die Frage, ob ich aus dem Material vielleicht ein Video dazu machen könnte? Aber da sang nur Tom, und der stand ja am dunklen linken Bühnenrand – dann hatte ich keine Zeit, es war wie verhext. Ich versuchte es, und gab bald entnervt auf, denn da war noch ein Spielfilmprojekt, das ich unbedingt vorher machen wollte (und in der Zwischenzeit selbst 2x nah dran war tatsächlich gemacht zu werden).
So wiederholte sich die Geschichte. Mindestens einmal im Jahr stolperte ich über das Material auf der Festplatte, guckte rein, und kam wieder zu dem Schluss: da müsste man doch was mit machen… und dann zog man erst noch das aktuelle Werbefilmchen, Imagefilmprojekt oder was auch immer durch, vergaß darüber Abbahead, und alles begann wieder von vorn.
Dann kam ein neuer Rechner, aber keine neue Version des Schnittprogramms (danke Apple!) … also wechselte ich das schließlich entnervt (Hallo Premiere), und konnte endlich anfangen immerhin ein bisschen Ton und Bild zu synchronisieren. Darüber hinaus kam ich nicht weiter, und wollte das überhaupt noch jemand sehen? Außerdem hatte ich keine Idee, womit ich die Löcher stopfen sollte. Die Band existierte in der Besetzung ebenfalls schon nicht mehr.
Was blieb war der Wunsch das irgendwie mal abschließen zu können, dieses Kapitel. Denn irgendwas war anders. Die Bilder waren da. Es gibt andere Projekte, aus denen nichts geworden ist, aber denen trauere ich nicht nach. Mit Abbahead verhielt es sich anders. Es ließ mich nicht los, und das lag nicht allein am unkaputtbaren T-Shirt, das ich immer noch jedes Jahr ein paar Mal trage, oder dem Abbahead-Button, oder oder oder. Ich weiß nicht woran es lag.
Inzwischen weiß ich es, weil er jetzt ja geschnitten ist. Einen weiteren Rechner später, erneut mit einer anderen Software (Hallo Resolve) lief es endlich rund. So rund, dass ich Wolfi bei einem Besuch versprach, ich würde den jetzt aber doch wirklich in echt fertig schneiden. Ohne dabei eine echte Idee für die Löcher zu haben (vielleicht Zeitlupe? Stroboskop?), aber immerhin hatte ich den Ton fertig synchronisiert und festgestellt, dass ich aus dem Material noch mehr herauskitzeln konnte. Ein hoch auf die Algorithmen von DaVinci Resolve. Die Pandemie war allerdings kein Antrieb dazu gewesen mich aufzuraffen – eher im Gegenteil -, sondern tatsächlich das anstehende, zehnjährige Jubiläum des Konzerts.
Aber was sollte ich mit den Wacklern machen, wohin schneiden, wenn ich keine B-Kamera habe? Dafür hatte ich aber doch den Soundcheck und die Proberaumaufnahmen der gleichen Songs. Die konnte ich doch mal miteinander zu synchronisieren versuchen, so gut es eben ging. Für ein paar Sekunden sollte das doch klappen, was ich ja schon von anderen Projekten wusste. Und das tat es. Jetzt gab es also ein Konzept, eine Notlösung! Und warum auch nicht? Ich hatte nicht mehr den Anspruch ein ununterbrochenes Konzert zu zeigen. Das war mal die Idee gewesen: Ich beginne auf der unscharfen Discokugel über der Bühne, und während der (sich hoffentlich einstellenden) Zugabe-Rufen schwenke ich wieder hin und fertig. Die Bilder sind auch noch drinnen. Mit der Einstellung der unscharfen Discokugel bei Minute 41 Sekunde 12 und dem Tilt zum Schlagzeugbecken hätte es angefangen, und mit der unscharf werdenden Discokugel hört es auch auf. Sehr viel mehr Konzept hatte ich dafür nicht, und manchmal steht einem so was gerne im Weg. Mir wahrscheinlich in den ersten Jahren auch, und jetzt ist es eher deswegen drin, weil mir das Schnittmaterial ausging, mit dem ich einige Tonfragmente bebilderte, um die es schade gewesen wäre.
Denn neben den Songs gab es noch Momente zwischen der Band, die so universell sind, dass sie alle Musikerïnnen kennen, die so viel mehr transportieren, als nur ein gelungenens Konzert. Was, wenn das gar nicht so gelingt, wie man sich das vorstellt, obwohl man sich alle Mühe der Welt gibt? Das zeigen die Bilder doch. Und die Abbaheads nahmen es mit Humor. Sympathisch, ehrlich, bayrisch relaxt eben. Das ordnete ich ein bisschen thematisch, „Kabel“ hier, Schlagzeug-Soundcheck dort, und schon hatte ich was, um die Songs zu unterbrechen, ein Gerüst. Fehlten eigentlich nur noch Interviews, aber als Film von Musikern für Musiker funktioniert er ja auch. Sicher wäre es schöner, wenn ich noch die WG-Erzählungen von Done auf Video hätte, und und und, aber bevor gar nichts von jenen Tagen in Regensburg aus dem Herbst 2010 bleibt, dann doch wenigstens das. Denkt es euch einfach dazu, so wie ich, und genießt ein Konzert aus fernen Tagen, wo Abstand halten gar nicht möglich war, und einen Musik näher zusammen brachte.
Gibt es darüber hinaus noch eine Lektion, ein Fazit? Also außer einer aufgeräumten Festplatte? Ja, natürlich. Denn jedes Projekt, das man in irgendeiner Form zu Ende bringt, macht einen leichter. Ich habe mich darüber gefreut, als sich die Teile zusammenfügten, die Lücken schlossen, sich Verbindungen ergaben, die so natürlich wirkten, als wären sie von Anfang an da gewesen. Einmal mehr hat sich mein Bauchgefühl bewährt, ich hab immer wieder an einigen Stellen laut gelacht, und bin zuversichtlich, das auch manch andere hier und da ihre Freude daran haben werden. Genau wie die Band damals, habe auch ich ein dem Scheitern stets näher stehendes Projekt bis zum Ende über die Bühne gebracht. Aufgeben kann jeder. Dinge abzuschließen, auch wenn sie nicht perfekt sind, erfordert Mut. Und den haben wir alle nötig, mehr denn je. Seit selbst Sturköpfe, in allem, was ihr tut, ein echter Abbahead eben.
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PS: Der Vollständigkeit halber sei hier noch der Trailer erwähnt, der lose an den berühmten vom ersten ALIEN Film angelehnt ist, an dessen Ende es heißt „Im Weltraum hört dich niemand schreien.“ Ob es das war oder die Buchstaben kann ich schon nicht mehr sagen, obwohl es vielleicht zwei Wochen her ist.
Bei der Zugabe hört man im Hintergrund übrigens Bena & Ptaszek, für die ich keine Kraft mehr hatte, außer ein paar Fotos. Ja, das ist auf dem Plakat ganz am Anfang falsch geschrieben. Nobody is perfect. Sucht die beiden auf youtube, es lohnt sich.
Bena & Ptaszek live am 02.11.2010 in Regensburg.
Die Idee eines „Regensburg-Films“ ist aber noch nicht vom Tisch, denn Wolfi würde ich ohnehin gerne mal länger mit der Kamera begleiten, zu erzählen gäbe es viel, und zu zeigen auch. Insofern ist dieser Film womöglich nicht mehr, als ein erster Vorgeschmack auf etwas, das noch kommt, ein „proof of concept“, wenn man so will. Für diesbezügliche Anregungen, Ideen und Unterstützung bin ich ganz Ohr.