Drei auf einen Streich (7) – Filmbesprechungen

Nach zwei sehr deutschlastigen Ausgaben war es mal Zeit für eine bunte Filmmischung aus in den letzten Wochen auf moviepilot erschienenen Kommentaren:

BEING THERE (1979), Hal Ashby

BEING THERE (1979)

BEING THERE von Hal Ashby ist wie die Kehrseite von Sidney Lumet’s NETWORK zu sehen: Letzterer blickt hinter die Kulissen des Fernsehens, dafür zeigt Ersterer um so präziser, was dieses Medium aus den Menschen vor den Apparaten macht. Beide Filme hintereinander zu sehen müßte einen eigentlich dazu bewegen, das Kabel aus der Wand und die Antenne vom Dach zu reißen – glücklicherweise ist das bei immer mehr Menschen längst geschehen, und so wird man in wenigen Jahren auf diese zwei Filme zurück blicken und ungläubig den Kopf schütteln. Ja, auch ich habe einen Traum…

Nun zum Film. Vielen mag er heute zu langsam erscheinen, aber nur weil wir nicht mehr die Geduld aufbringen länger irgendwo in die Bilder und Einstellungen zu schauen. Auch ein Effekt des Fernsehens. Doch, doch, ich erinnere mich an Schnitt-Jobs, bei denen mir die gleiche Sequenz abgenommen wurde, nachdem auf Bitte des Redaktuers nur häufiger zwischen den gleichen Takes völlig unmotiviert hin und her geschnitten wurde. ADHS für den Zuschauer, damit ja niemand in Versuchung kommt die Bilder, die er sieht, zu lesen und fest zu stellen, dass dort gar nichts steht. Schnitt um des Schnitts Willen, ohne Sinn und Verstand. Nicht so in diesem Film. Hal Ashby war bereits ein begnadeter Cutter (man denke allein an die legendäre Schachspielsequenz aus THE THOMAS CROWN AFFAIR, 1968), ehe er ins Regiefach wechselte, und das Timing dieses Films ist absolut perfekt. Eine Wohltat, so etwas zu sehen! Schneller geschnitten würde der Film nämlich gar nicht funktionieren. Man muss Peter Sellers beobachten können, begreifen, dass sich in diesem Kopf nichts tut, er nur wie ein verunsicherter Automat auf seine Umwelt reagiert, mit den beschränkten Mitteln, die ihm zur Verfügung stehen. Da verlässt er nach Jahrzehnten „seinen“ Garten, tritt vor die Tür, und bleibt doch stets Gefangener seiner kleinen Welt, die Abwechslung nur durch eine Fernbedienung herstellen kann. Das eigentliche Mysterium des Films ist, was er eigentlich auf den Kanälen sucht, welches Programm, was in ihm überhaupt den Impuls zum Umschalten auslöst, oder ob dies in einem ebenso gleichmäßigen Zeitintervall stattfindet, wie der Rest seines Lebens.

Kein bisschen anders die Menschen, denen er begegnet – auch sie leben in ihren Welten gefangen, unfähig über den eigenen Tellerrand hinaus etwas wahr zu nehmen. Darum reden und leben die Menschen in diesem Film aneinander vorbei, wichtig ist einzig und allein was im Fernsehen gesagt wird, und wer dort zu sehen ist. Lesen, Schreiben, selber denken – alles wird einem von irgendwem abgenommen, die Menschen haben Sehnsucht nach einer Seele, die sie versteht, um nicht länger allein zu sein, und alle erliegen dem Irrtum, dass Mr. Gardner ihnen dieser Freund und Seelenverwandte ist, dabei ist er nur ein leeres Spiegelbild, so leer wie die Fernsehbilder, die er konsumiert. Über diese permanent stattfindenden Mißverständnisse kann man lachen, oder in bodenlose Traurigkeit verfallen. Natürlich ist das konstruiert und künstlich von Anfang an, wenn Chance zu den Klängen „der Unvollendeten“ von Schubert routiniert einen anderen Blumentopf ins Licht stellt. Aber entweder man akzeptiert diese Prämisse, oder wird nie in den Film reinkommen. Das wäre schade, denn die Inszenierung ist trocken und nimmt seine Figuren dabei ernst. Genau das macht den Unterschied, wärmt einen, dieser fast zärtliche Blick auf uns fehlbare Menschen. Heute wäre das vielleicht eine Klamotte von einem minderbemittelten Komiker, ej guck ma wie doof die alle sind! Ganz anders hier: Die Menschen behalten alle ihre Würde, man ist ganz nah bei ihnen, und kann ihnen doch nicht auf die Schulter tippen um ihnen zu verraten, dass sie immer noch alleine sind. Das kann man aber tun, wenn der Film aus ist. Hinaus treten, aus seinem Kokon, und lieber mal mißverstanden werden, als nur auf biegen und brechen in allem nur Konsens sehen zu wollen. Sonst bleibt alles „Nonstop Nonsens“. Hätte nie gedacht, dass ich bei Peter Sellers anfange, und bei Dieter Hallervorden aufhöre.

PS: Erwähnenswert sind noch die Musikstücke von Johnny Mandel, die klingen wie Notenblätter, die man unter dem Sofa von Erik Satie gefunden hat. Darüber habe ich mich vermutlich mehr amüsiert, als über den Film. Was in keinster Weise gegen ihn spricht.

I like to watch, too.

Sad, I know.

THE LAST WAVE (1977), Peter Weir

THE LAST WAVE (1977)

Ach ja. Peter Weir und die Aborigines. Wie eine ewig unerfüllte Liebe. Wem sein Film DIE LETZTE FLUT nach seinem sehr starken, atmosphärisch dichten Anfang spätestens zur Mitte hin langweilig wird, kann sich damit behelfen ihn “homoerotisch” zu lesen. Vorsicht! Der Text enthält Sp-E-U-L-E-r! Ein Mann, der Visionen von Sturzbächen aus Wasser hat, und sich so sehr davor ängstigt, dass er nicht mehr schlafen kann… Visionen von etwas, das ihn aus dem Ehebett vertreibt, bzw. ihm die lange überfällige Ausrede dazu liefern dort nicht länger “schlafen” zu müssen… dann erscheint ihm prompt ein “fremder, schöner Mann” in seinem Traum, der ihm wenig später auch im wahren Leben begegnet… er stellt ihm irgendwann nach… spricht mit dessen “Vater”, der ebenso wie seiner deren “homosexuellen Neigungen” ablehnt… denn die Eulen sind nicht was sie scheinen, David… dann schließlich schickt der Mann Frau und Kind weg, oder in “Sicherheit”, wie er es nennt… und endlich, endlich! Kann er seinem Geliebten in dessen “Welt” folgen, tief unten verborgen liegt er, der Eingang zu dem “Geheimnis” seines, äh “Stammes”… noch durch den Türrahmen, wie bei Malick, dann gerät es zeitlich durcheinander, denn der Fremde muss zurück zu den seinen, nachdem er ihr “Gesetz” gebrochen hat, nackig steht er da, mit dem Hintern uns zugewandt… ein Vater wird mit dem Stein erschlagen… und der Mann sucht sich den Weg heraus, aus dem Labyrinth, in dem er gefangen ist, erreicht den Ausgang – auch das ja ein coming-out, kurz vor dem… o-O, das Wasser spritzt, die Gischt, er schließt die Augen. Da ist sie, die Welle!

Klingt verdächtig nach einem verlorenen Kapitel aus Woody Allen’s WAS SIE SCHON IMMER ÜBER SEX WISSEN WOLLTEN, ABER NICHT ZU FRAGEN WAGTEN, oder? Nur leider bierernst inszeniert.

Wer den Film “normal” sieht, hat definitiv weniger davon, zu aufgesetzt wirken die Szenen mit den Aborigines, ein Schuß mehr Roeg à la WALKABOUT hätte Weir gut getan, dafür nehmen die verregneten Straßenszenen ein Gefühl von BLADE RUNNER vorweg, und wenn die Äste im Sturm die Fenster einschlagen, war er auch POLTERGEIST voraus. Das Sounddesign des Films ist überragend, wunderbar wie mit Wind und Regengeräuschen umgegangen wird, wenn sich elektronische Klänge darin verstecken, mal Musik, mal nicht, das vielleicht entsetzlichste Instrument der Welt, das Didgeridoo verbreitet den puren Horror, den auch der Rhythmus der Scheibenwischer nicht beseitigen kann. Es regnet schwarz, es regnet Frösche, Jahre vor MAGNOLIA, und doch schafft es der Film irgendwann nicht mehr seine Themen beieinander zu halten, prophetische Träume, Kulturen die aufeinander prallen, ein Gerichtsfilm? So richtig entscheiden kann er sich nicht, und ab da wird’s langweilig. Also guckt man besser TAKE SHELTER von Jeff Nichols, oder watet durch den biblischen Zorn des NOAH von Aronofsky im kommenden Jahr.

REGEN IN DEN BERGEN (1979), King Hu

REGEN IN DEN BERGEN (1979)

Fliegende, laufende, springende Menschen in wehenden Gewändern, Kamerafahrten, -schwenks, -zooms und dann wieder Ruhe, viel Platz, viel erzählter Raum, alles in Cinemascope. Filme wie dieser gehören ins Kino! Ein großer Fernseher reicht nicht, wenn unvermittelt hunderte Mönche auf einem Hof im Kloster zusammen strömen – das ist ein Moment zum Luft anhalten. So einen Film guckt man auch nicht wenn man nach einem langen Tag erschöpft ist, wie ich leider, als ich mir REGEN IN DEN BERGEN gestern ansah. in jüngeren Jahren muss ich ihn schon mal gesehen haben, denn an die Szene mit dem „klares Wasser holen“ konnte ich mich erinnern, auch an das kunstvolle Gespringe, wie ich meine noch gänzlich ohne das “an den Schnüren” hängen, sondern allein mittels Trampolinen, Schnitt und Artistik. Es fällt ebenso auf, dass die Kampfszenen nicht dadurch beschleunigt wurden, dass man weniger Bilder in der Sekunde aufnahm. King Hu (was davon der Vorname ist, wird hoffentlich “Tyler__Durden” beantworten, dessen Liste ich diesen Film entnommen habe – danke, äh ich meinte xiè xiè!!!) schneidet aber anscheinend gelegentlich mal ein Bild aus einer Einstellung, um Szenen subtil zu beschleunigen – das funktioniert sparsam eingesetzt äußerst effektiv. Vielleicht ist er gar der Regisseur, von dem die Szene stammt, die ich seit Jahrzehnten sehen möchte, seit mein Vater mir erzählte, er habe einen “Hüppefilm” gesehen, in dem die Kombattanten Bäume(!) wie Flipperkugeln hochspringen würden. Damals konnte ich nicht genug vom asiatischen Kino bekommen, so lange nur ein Kloster, Mönche, weise Sprüche und der Physik widersprechende Kloppereien drin vor kamen.

Nur mit dem Auseinanderhalten von asiatischen Gesichtern und Namen konnte ich damals wie heute manchmal Probleme haben, und da ich in diesem Fall die O-Ton-Fassung mit Untertiteln guckte, griff ich auf die erprobte Assoziationstechnik zurück, die erstbeste Ähnlichkeit zu einem westlichen Schauspieler zu nutzen, um die Darsteller benennen zu können. Als ersten traf es Yueh Sun, der an einer Stelle so albern lachte, wie ich es nur von Peter Sellers kannte – zack! – hatte er seinen Spitznamen für den Rest des Films weg. Noch schlechter traf es seinen Kollegen Lin Tung (wenn ich mich nicht irre), der klein und gebückt als Polizist an der Seite eines Generals auftrat – und da ich schon mit Komödianten angefangen hatte, erinnerte er mich ausgerechnet an Roberto Benigni. Na das konnte ja heiter werden. Wurde es aber glücklicherweise nicht, da die wunderbaren Kostüme und Farbdramaturgie alleine für ausreichend Wiedererkennungswert sorgten. Es folgte ein wunderbarer Film, wie ich sie schon damals liebte, die vielen heute zu langsam und langweilig erscheinen. Das ist schade, denn sie leben von der Dynamik, die Kamera und Schnitt einerseits in den Actionszenen entfesseln, und andererseits in der Etablierung von räumlichen Verhältnissen und ihrer Durchquerung schaffen. Was der Focus-Puller hier leistet, ist gerade in den Waldszenen atemberaubend. Wenn man ein Auge dafür hat. Für manchen rennen da einfach nur Kostümierte in Großaufnahme durch den Wald wie bei Kurosawa, dann fallen sie aus den Bäumen, die Röcke flattern, und bunte Stoffe fliegen durch’s Bild, und binden den “weißen Fuchs”, oder versuchen es wenigstens.

Ein Film, der eins ist mit seiner Form, streng, präzise, und doch verspielt, wenn die Schnitte zu schnell aufeinander folgen, und ein paar Bilder mehr “drin” gewesen wären, aber hier wird kein Continuity-Schnitt bedient. Das ist sehr schön anzuschauen. Wer mehr braucht, vor allem eine “Geschichte”, der wird hier wohl höchstens die Vorlage für KUNG-FU PANDA entdecken können. Die zentrale Schriftrolle, deren Wert unschätzbar ist, das Ringen um einen Auserwählten, und Talente wo sie niemand vermutet – nur diesmal für Erwachsene, die etwas mehr Geduld mitbringen, als ihre Sprößlinge. Filme wie diesen hat der Asien-Kenner Tarantino nie begriffen, was man besonders seinem zweiten KILL BILL leider deutlich anmerken kann.

REGEN IN DEN BERGEN zeigt zu wenig Blut und Gewalt, um das heute junge Publikum zu befriedigen, dafür um so mehr Sehenswertes für Scope-Liebhaber der alten Schule. Euch Letztgenannten rufe ich zu: Ab mit euch ins Kloster, Putzdienst!

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Wer noch nicht genug hat kann hier weiter stöbern, oder auf die nächste Auswahl auf dem Blog warten.

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