Der Untergang des Abendlandes steht bevor. Wieder einmal. Das Internet ist schuld. Die Piraten. Die anderen. (Es sind immer die anderen.) Hatten wir alles schon mal. Und zwar origineller. (Von wem stammt der Satz, dass es nichts Neues unter der Sonne gäbe?) Nun gut, zum Thema:
Urheberrecht (leaving) vs Crowdfunding (sees bright future coming)
Als ich anfing zu Schreiben, zu Musizieren, zu Filmen, ging es mir nicht anders als mit dem Sprechen. Ich wollte mich mitteilen, mich austauschen, kommunizieren. Durch Nachahmung, Ausprobieren, Scheitern, Weitermachen. Beim Schreiben habe ich angefangen mich selbst besser zu verstehen, und dann versucht etwas davon in abstrakter Form (in Geschichten) an andere weiter zu geben. Nicht im Traum wäre es mir damals eingefallen dafür Geld zu verlangen, oder von Urheberrechten zu faseln. Stattdessen pendelte sich mein Engagement irgendwo zwischen den Polen Selbsterkenntnis, Exhibitionismus und Altruismus ein. Aber niemals würde ich auf den Gedanken kommen jemanden für den Besuch und Konsum meiner Seiten zu verklagen!
Inzwischen bin ich älter geworden, beherrsche das Filmemachen (sofern das überhaupt möglich ist) im Sinne von: ich werde dafür bezahlt. Ebenso für manche Musikstückchen, meine Stimme als Sprecher, diverse Texte aus meiner Feder – nahezu alles in der Werbung. Trotzdem spreche ich nicht von Urheberrechten, allerdings steht das Wort in all meinen Verträgen drin. Und ich habe sie gefälligst abzutreten. In Ausnahmefällen für einen begrenzten Zeitraum, im Regelfall für alle Zeit einschließlich noch nicht existenter Medien der Zukunft, die was mit audiovisueller Sinneswahrnehmung zu tun haben könnten. Kein Witz. Mit der Blu-Ray gibt es inzwischen ein erstes solches Medium. Aber hat sich etwas an meiner Einstellung zum Urheberrecht geändert? Nein.
Noch immer mache ich Musikvideos und andere Filme umsonst, wo ich nur kann. Schließlich waren es solche Arbeiten, die mir meine bezahlten Jobs eingebracht, meine Rechnungen bezahlt haben, und außerdem „roste“ ich nicht ein. Davon konnte ich erst kaum leben, dann ging es mir sogar so gut, dass mir Zeit blieb unbezahlt für Nachwuchsfilmer arbeiten zu können, z.B. AUF WOLKE 1, oder NOISE – bei dem ich sogar draufgezahlt habe, damit er überhaupt zustande kommt. In letzter Zeit geht es wieder eher schlecht, und dieses Mal liegt es nicht an der Qualität meiner Arbeit, sondern dass niemand mehr etwas bezahlen will. Das meine ich inzwischen sogar wörtlich, denn die Zahlungsmoral lässt zu wünschen übrig, und manche meiner Rechnungen sind nach über einem Jahr noch nicht beglichen. Schlimmer als das ist, dass die Mehrzahl der Kunden lieber Qualitätseinbußen hinnimmt, als angemessen zu bezahlen. Aber zurück zum Urheberrecht. Denn wo ich kann, stelle ich meine Arbeiten immer noch umsonst für jedermann zur Verfügung, denn ich will gelesen, gehört, gesehen werden, wann immer ich meine etwas zu sagen zu haben. Ansonsten habe ich den Anstand meine Klappe zu halten. Meistens jedenfalls. In der gar nicht existenten Debatte um das Urheberrecht ist es jedenfalls angebracht weniger aufgeregt den Fakten ins Auge zu sehen.
Habe ich heute ein Recht auf Bezahlung, nur weil ich den Job besser beherrsche als irgendwelche youtube-kiddies? Die falsche Antwort vieler meiner Kollegen darauf ist „JA“, aber die korrekte Antwort ist „NEIN“, genau wie damals, als wir noch unsere ersten Schritte gemacht haben. Wenn ein amateurhaftes Katzenvideo auf youtube öfter angesehen wird als teuer produzierter Film gleicher Länge, dann kommt man dem eigentlichen Kern der Problematik näher. Und die hat nichts mit den Scheindebatten Profi gegen Amateur, DVD gegen Internet oder Copyright gegen CreativeCommons zu tun.
Es ist eine Krise der Inhalte – und da ziehe ich auch ein 2-minütiges Katzenvideo einer einzigen Sendung von DSDS oder meinetwegen einem Tatort vor. Quotengeiles Privatfernsehen und die sie schamlos kopierenden ÖR-Sender auf der einen, 3D-Hype und das in der Endphase steckende Blockbuster-Kino andererseits haben die Krise mit herauf beschworen. Verschärft wird sie dadurch, das es viele Klassiker nirgendwo zu kaufen gibt, weil es angeblich keinen Markt dafür gibt. Was bin ich da manchen Enthusiasten auf youtube dankbar, die Filme aus den 30er und 40er Jahren hochladen, die sonst aus unserem Filmgedächtnis längst verschwunden wären, weil die Copyright-Inhaber dieser Filme der Meinung sind, damit könne man ja kein Geld verdienen. Alles Arschlöcher, die mögliche Kunden, aber in erster Linie Fans und Kenner beleidigen, die es besser wissen. Denn den Rechteinhabern ging es nie um den Schutz meiner Urheberrechte, sondern einzig und allein immer nur ums Geld. Möglichst wenig zahlen, maximaler Profit, und zwar egal womit. Das kann Fastfood, gefärbtes Zuckerwasser oder eben ein Film sein – Hauptsache es wirft Profit ab. Ich zahle sogar dafür, dass meine Filme frei zugänglich sind, via vimeo und meinen Webseitenprovider, von der Zeit das alles zu administrieren mal ganz zu schweigen. Werbung will ich keine auf meiner Homepage oder meinem Blog sehen. Nur was mir passt. Dafür zahle ich gerne. Bezahlt werden meine Fähigkeiten von Kunden, die darauf angewiesen sind, weil sie grad keinen Cousin zweiten Grades zur Hand haben, der auch einen Laptop und Photoshop hat, und dann mache ich eben Katzenfutter- oder Shampoo-Werbung so gut ich kann. Meistens wissen es die Kunden trotzdem am Ende besser, es werden idiotische, dem gesunden Menschenverstand widersprechende Änderungen eingebaut, ich tue wofür ich bezahlt werde und streiche die betreffenden Spots eben aus meinem möglichen nächsten Showreel. Alle sind zufrieden. Und Werbekunden freuen sich im Gegensatz zu Film- und Fernsehanstalten darüber, wenn ihre aus dem TV raubkopierten Spots auf youtube ohne ihr Zutun weiter verbreitet werden. Die Kommentare dort geben Rückschlüsse auf die Beliebtheit, und manche ahnen dann vielleicht endlich, was sie da für eine Scheiße fabriziert haben, weil sie mal wieder einem Arschkriecher aus der eigenen Marketingabteilung vertraut haben, der sich selbst via Marktforschungsinstitut abgesichert zu haben glaubte, aber seine eigene Meinung in dem Moment verloren hat, als er der Bankkredit fürs Eigenheim unterschrieben hat. Aus Schaden wird man(cher) klug.
Erst wenn es viel zu lange nur großen Mist gegeben hat, wird der Hunger für Qualität zurück kommen, aber wie immer von unten, nicht von oben verordnet, sondern von den Fans. Sie sind der Schlüssel, denn sie bezahlen die Zeche. Freiwillig. Ob beim Sport, in der Musik, bei Büchern, Film oder Fernsehen. Es wird Bands oder Vereinen hinterher gereist, CD-Special-Editions plus Edelvinyl-Japanpressung der gleichen Aufnahmen werden geordert, Filme auf DVD, Blu-Ray und als 35mm Filmkopie im Keller gelagert – es sind immer die Fans. Sie machen umsonst Werbung, treffen ihre Idole auf Veranstaltungen, jagen nach Autogrammen, schrieben früher Fanzines und heute Blogs. Das gleiche Verhalten kann man bei Software und Betriebssystemen beobachten. Kurz: die Nerds zeigen uns wo es lang geht, sie sind der Motor, sie zahlen die Zeche. Alle anderen sind nur Zuschauer. Daran ist nichts auszusetzen. Im Gegensatz zu Abmahnungen. Gäbe es noch gute Musik, müßte sich heute keiner Beschweren. Heute braucht eben niemand mehr die großen Labels, und es ist besser so, das jede Nachwuchsband heute selber ihre Demos aufnehmen und vertreiben kann. Ich kann mich an Interviews erinnern, die in den 80er Jahren geführt habe, als so manche Nachwuchskapelle ihr Demo in einem Tonstudio teuer produzieren musste, und dafür lange sparte und schuftete. Und das ganze Gerede um Privatkopie und dem Ende von allem war alles schon beim Radio, dem Kassettenrekorder, der VHS-Kassette da. Dabei ging es nie um die „Urheber“, sondern stets allein um den größtmöglichen Profit. Die gleichen Interessenvertreter der Verwertungsgesellschaften (ein Unwort sondergleichen) lassen über ihre Anwälte verbreiten, ihnen läge an unserem Schutz, die „Werke“ gäbe es ja sonst nicht. Irrtum. Höchstens andere. Fanverhalten haben sie nie verstanden, diese merkwürdige Mischung aus Irrationalität, Verehrung und Intuition.
„Filmemachen ist aber ungleich teurer!“ höre ich diese Leute aufschreien. Ach ja? Blockbusterkino vielleicht, aber ein Woody Allen Film? Alle seine Filme zusammen haben vermutlich nicht so viel gekostet, wie ein beliebiger Teil der TRANSFORMERS-Serie. Wie sieht die Lösung aus? Bei Werbung mag es einleuchten, aber bei Spielfilmen? Nun, an den Gegebenheiten des Internets wird sich nichts mehr ändern. Auch wenn mit ACTA, KARIUS und BACTUS oder wie sie auch heißen mögen stets neue Versuche unternommen werden: zu spät. Sogar in Hollywood hat man das begriffen, wie dieser Artikel beweist. Ein weiterer Weg wäre es, die Kosten zu minimieren, und wie in den goldenen Jahren der Studios wieder dazu über zu gehen, Autoren, Regisseure, Kameramänner und SchauspierlerInnen fest unter Vertrag zu nehmen. Wozu diese absurden Millionengehälter zahlen? Ich wiederhole mich: Es geht um die Inhalte, nicht die Stars und Sternchen. Hinter, wie vor der Kamera. Und dann begegnet man seinen Fans auf Augenhöhe, nicht nur als twitter-follower oder facebook-friend, sondern wie bei einer Autogrammstunde auf einem Fantreffen. Denn Fans zahlen dafür. Wie die Bekloppten. Und jeder ist ein bisschen anders bekloppt, und das ist doch gut so. Reist mit euren Filmen durch die Kinos wie Kevin Smith es mit RED STATE gemacht hat, setzt euch mit euren Fans und den Filmen gleichermaßen auseinander, wo immer ihr sie trefft. Das ist die Zukunft. Den Fans sind es heute schon, die Crowdfunding zum Erfolg machen, und kickstarter.com oder startnext.de sind nur der Anfang. Fans rule!
Was den Crowdfunding-Plattformer noch fehlt, ist der, ich nenn es mal HBO-Effekt; das erfolgreiche Serien kleinere querfinanzieren, wie TRUE BLOOD zum Beispiel das fantastische TREME (gibt es jetzt endlich auf Blu-Ray via UK-Import, juchu! Dritte Staffel läuft im Herbst an :). Auch HBO unterlaufen dort Fehler, aber der Geist ist der richtige. Nicht auf die anderen schielen, sondern allein auf Qualität. Noch haben wir keine Möglichkeit einer Plattform oder Fan-Redaktion einfach so Geld in den Rachen zu schmeißen. Nach dem Motto: Überrascht mich, egal womit – nur bitte keine Castingshows mehr. Selbst teure Serien wie GAME OF THRONES (worüber ich erst neulich hier geschrieben habe) können auf ihre Fans zählen, und ich bin nicht der einzige der in Kommentaren auf US-Blogs in die Runde geschmissen hat, dass wir gerne drauflegen, wenn HBO das Budget nicht allein zusammen bekommt. Das wird die erste Serie, die nicht mehr absetzbar ist, ich schwöre es euch.
Aber wo bleibt jetzt Woody Allen? Ok, er hat selbst genug Fans, die ihm den nächsten Film finanzieren würden. Selbst langweilige B-Movies mit ansehnlichen Effekten wie IRON SKY können schon teilfinanziert werden. Wo es noch hakt ist der Nachwuchs. Bei kurzen Formen funktioniert es, Musikvideos, Kurzfilme, Dokumentationen. Die erschwingliche Technik macht’s möglich. Aber Spielfilme, die es wert sind gesehen zu werden, die einen Verleih finden, die schon Fans haben sind mir noch nicht untergekommen. Euch? Eben.
Mit meinem eigenen Filmprojekt habe ich es mit einer Art offline-Crowdfunding-Variante versucht, was aber an rechtlichen Hürden gescheitert ist. Wer will kann das alles hier selbst nachlesen oder weiter verfolgen. Der Gedanke war, da der Film in einer abgelegenen Region spielt, aber sich auf ein reales Ereignis bezieht, an das sich viele Einwohner noch erinnern, dass es möglich sein könnte diese Bewohner zu Fans des Films zu machen und in die Produktion mit einzubeziehen. Das hat funktioniert, und der Stadtrat bis hinauf zum Bürgermeister unterstützen das Projekt. Drehen kann ich den Film deswegen noch immer nicht.
Der „Fehler“ liegt natürlich in unserem Förder- und Fernsehsystem. Vorausgesetzt man möchte sich weiter auf dieses System einlassen, dass einen durchkaut, aussaugt und ausspuckt. Und heute kam mir der Gedanke, dass es den Crowdfunding-Plattformen an einer Etappenfinazierung von größeren Projekten fehlt. Vermarkten muss sich heute jeder selbst können, oder es eben lernen. Jedenfalls als Filmemacher. Als Autor oder Musiker kann man alles theoretisch allein von Zuhause aus machen. Ich brauche Kollegen, weil das Filmemachen an das ich glaube ein gemeinschaftlicher, freundschaftlicher, evolutionärer, emotionaler, erschöpfender und glücklich machender Prozess ist. Niemand von uns will Millionär werden. Es geht höchstens um eine handwerklich angemessene Bezahlung, von der man vielleicht sogar wieder leben kann. Mehr verlangt keiner der Schauspieler, Kameramänner, Regisseure, Animationskünstler, Journalisten, Ingenieure, Architekten, Designer und Washaltgutkönner aus meinem Bekanntenkreis vom Leben. Unsere Werke gehören allen, wenn wir mit ihnen fertig sind, und gerne reden wir hinterher, nach der Fertigstellung darüber. Warum nicht häufiger öffentlich? Nur nicht mit oder in den blöden Medien wie sie Georg Seeßlen und Markus Metz in ihrem Buch allumfassend analysieren und beschreiben, sondern mit den ehrlichen, hart arbeitenden verbliebenen handvoll Journalisten (wie David Simon), in der Regionalpresse und auf Blogs, im Internet, der letzten Bastion. Und wer sich so seine Fans erarbeitet, den tragen sie eines Tages auch finanziell.
Wem das nicht paßt, bleibt zurück, denn die technischen Möglichkeiten existieren bereits, und je mehr sie genutzt werden, desto eher kommen wir alle in dieser Zukunft an. Auch diejenigen, die jetzt noch zweifeln. Die ewig Gestrigen. Jene, die immer nur von Märkten reden und nichts mehr zu sagen haben.
Kultur ist erst wenn man selber mitmacht.
Hört auf mit dem Fernsehen.
Lest Seeßlen.
Guckt hin.
Buuh!
Unser nächstes Etappenziel muss also sein, Strukturen auf Crowdfunding-Plattformen zu schaffen, um dort auch für – etwas provokant formuliert – Debüt-Arthouse-Spielfilme die Finanzierung auf die Beine zu stellen. Dann kippt das System und wir haben nicht länger die Kultur, die wir verdienen, sondern nur noch diejenige, die wir selber wollen, deren aktiver Teil(haber) wir sind.
Richtig wird es also in ferner Zukunft einmal heißen: Urheberfunding und Crowdrecht. Oder so ähnlich. Dann sind wir angekommen.