Ein überfälliger Dammbruch, eine positive Überraschung sowie ein viel zu unbekanntes Meisterwerk bilden diesmal das Trio aus launigen Filmbesprechungen, die ich auf moviepilot verfasst habe:
MARTHA (1974), Rainer Werner Fassbinder
Im zweieinhalbten Anlauf endlich geschafft. Beim ersten Mal zu spät angefangen, und dann von dem fürchterlich lauten Sprechen in der Szene in der Deutschen Botschaft erschreckt worden – dabei ist es so eine wunderbare Telefon-Horror-Szene, die auch blendend zu einem unter Drogen stehenden David Lynch gepasst hätte.
Beim zweiten Mal sehen kam ich weiter, schlief zwischendurch ein (um es noch einmal zu unterstreichen, nicht wegen des Films, sondern weil ich meistens erst viel zu spät zum Filme schauen komme, den Ausgleich und Kontrast zum Alltag aber so nötig habe wie den Schlaf), und holte das versäumte am nächsten Tag nach. Ich gebe zu, dass ist nicht die Art und Weise sich Fassbinder zu nähern, aber es hat weit mehr als diesen Anlauf gebraucht, und endlich habe ich etwas kapiert: Seine Filme haben überhaupt nicht die Absicht zu unterhalten, sondern die Absicht dass man sich über sie unterhält. Dieses Unterhaltungsverständnis ist uns heute dermaßen fremd, dass wir von diesen Filmen abgestoßen werden, statt von dem, was sie ausstellen und plakativ darstellen. Denn was Fassbinder uns zeigt, ist ein gnadenloser Röntgenblick auf unsere (damalige Spieß-)Gesellschaft, in der er keine Gefangenen macht, er versorgt und mit Stoff, Gesprächsstoff, den wir auch heute noch bitter nötig haben. Er hegt keine Sympathien für die Menschen, die er zeigt, führt sie aber auch nicht vor, zeigt sie wie sie sind. Sie sprechen künstlich ihre Befindlichkeiten aus, was sehr Merkwürdig wirkt, aber irgendwann als Methode erkennbar wird. Denn so sehr die Menschen hier ihr Befinden auch auf der Zunge tragen, es ändert nichts an ihrem meist dummen Verhalten, das eben nur selten zum Gesagten passt. Jeder ist Gefangener seiner eigenen kleinen Welt, und bricht doch nie aus ihr aus. Meine Fresse, ist das alles bitter.