Wie 2018 ein Film zum Thema „Widerstand“ an der Willy Brandt Schule in Warschau entstand und in Leipzig uraufgeführt wurde. Anschauen könnt ihr ihn natürlich auch.
Vielleicht erinnert sich jemand an meine Filmgruppe, über die ich vor 18 Monaten schon einmal einen Artikel geschrieben habe? Letztes (und ebenso vorletztes) Jahr hatte ich einmal mehr die Gelegenheit, sie bei einem Projekt begleiten zu dürfen, wenn auch in leicht veränderter Zusammensetzung – worauf ich noch zu sprechen kommen werde.
Ausgangspunkt war ein internationales Schulprojekt der Goerdeler Stiftung zum Thema Widerstand, an der einige deutsche Auslandsschulen teilnahmen, inhaltlich jeweils auf ihr Gastland bezogen. Film war dabei eine (mögliche) Form sich damit zu beschäftigen, und gleichzeitig Beleg der (hoffentlich) gelungenen Auseinandersetzung. Mein eigener Widerstand bestand allerdings gleich zu Anfang in der vor meiner Teilnahme breit diskutierten, reportagehaften Form, mit allem, was einem Filmfan die Augenlider schützend senken lässt: von eingeblendeten Land- und Stadtkarten, Statuen, Denkmälern, historische Plätzen, Voiceover und sehr sehr viel trockener Informationsvergabe war die Rede. Das war sicher pädagogisch wertvoll konzipiert, aber mit Filmsprache, Motivation, Identifikation, Humor oder gar Spannung hatte das rein gar nichts am Hut. Ich sah das jugendliche Publikum bei der Vorführung schon während des Vorspanns wegdösen. Mein Fokus lag darauf, es etwas länger wach zu halten, und daher plädierte ich für einen narrartiven Ansatz, der auf einem persönlichen Zugang der jungen Erwachsenen (zwischen 16 und 18 Jahren) zur polnischen Geschichte basiert: was hat diese mit ihnen zu tun, jetzt, hier und heute? Davon ausgehend lief es dann beinahe wie von selbst.
Hürden
Erschwert wurde
dieser Zugang allerdings durch die Auflage, doch bitte keinen Bezug auf
aktuelle politische Themen zu nehmen, da wohl auch Botschafter der
jeweiligen Länder bei der Präsentation zugegen sein würden, die man
nicht brüskieren wollte. Also vom Widerstand erzählen, ohne parteiisch
zu sein. Okay. Versuchen wir halt Regierung, Opposition und alle anderen
gleichermaßen anzusprechen. Möge der Film sie alle wieder an einen
Tisch zusammenführen.
Was allerdings alles vorkommen sollte:
die Solidarność Bewegung, der Widerstand gegen die Nazibesetzung, sowie
die 150 Jahre, die Polen von der europäischen Landkarte verschwunden
war. Und bitte noch die Breslauer Zwerge,
aus sentimentalen Gründen. Kein Druck. Uh, okay. Die Auseinandersetzung
muss dann aber vielleicht manchmal Teil einer abstrakten
Auseinandersetzung damit sein, sonst gleicht der Film ja einer
Vorlesung, und ist dann wohl kaum noch unterhaltend.
Hab ich schon erwähnt, dass der Film höchstens 10 Minuten lang werden durfte? Jaha, okay jetzt! Noch was? Ach so, wir hatten eigentlich auch kaum noch Zeit alles umzusetzen, weil Sommerferien dazwischen und wir mussten den fertigen Film früher als gedacht einreichen. Prima, kein Problem. Nein, wirklich nicht. Was könnte schon schief gehen?
Oh Mann.
Organisatorisch
hatten wir theoretisch 2x zwei Tage Zeit für das Drehbuch, Casting und
Drehplan. Der Versuch das Projekt online auf Slack auszuweiten misslang, es blieb bei der bereits bestehenden WhatsApp
Gruppe, die sich aufgrund ihrer Linearität wenig für eine strukturierte
Vorgehensweise eignete. Immerhin war das besser als nichts, und einige
Dinge haben wir auch darüber erfolgreich kommuniziert bekommen (etwa
Kostümwahl und Verabredung an Drehorten). Trotzdem war es schade, die
„digital Natives“ nicht über die Anmeldung hinaus an besser geeignete
Plattformen heranführen zu können. Keine Ahnung, was ich da falsch
gemacht habe, oder warum der Versuch unterm Strich scheiterte. Wie dem
auch sei, ein Nebeneffekt davon war, dass ich den Teilnehmern dort mehr
als ein paar Mal auf die Nerven gehen musste, wenn die nächste Deadline
einmal wieder näher rückte. Alles parallel zum Schulalltag wohlgemerkt –
woran man wieder einmal erkennen kann, dass sich das schwer miteinander
vereinbaren lässt, und am Ende alles allein am persönlichen Engagement
der Teilnehmer hängen bleibt. Denn gedreht wurde nach der Schule bzw. am
Wochenende, verteilt über drei Tage. Es ist wirklich irre, wieviel Zeit
sich die Gruppe freigeschaufelt hat, um mal eben einen richtigen Film
zu machen.
Pläne
Was ich mir noch vorgenommen
hatte war – um mich ebenso wie die SchülerInnen zusätzlich bzw. neu zu
motivieren – qualitativ zu den Vorjahren noch eine Schippe drauf zu
legen, so dass man den Film auch öffentlich vorführen kann und vor allem
auch darf – was vor allem bedeutete auch selbst Musik einzuspielen.
Außerdem sollten diesmal die Rollen von Erwachsenen auch tatsächlich von
Erwachsenen gespielt werden, und nicht wie beim letzten Mal von
eineiigen Zwillingen, von denen einer den Vater, der andere aber den
Love-Interest einer Mitschülerin spielte – was für das ungeübte Auge
bereits beim Plotverständnis für reichlich Stirnrunzeln sorgte. Lehrer
und Eltern mussten sich Castingaufrufe anhören, und mit Ach und Krach
bekamen wir tatsächlich alle Rollen buchstäblich in letzter Minute
besetzt. Hooray!
Mangel an Zeit und Personal waren dann auch dafür verantwortlich, dass ich diesmal die Kameraführung leider selbst übernehmen musste, auch weil zwei junge Damen, denen ich diese gerne wieder anvertraut hätte, dieses Mal gar nicht dabei waren, und sich auch nicht zu einer Teilnahme bewegen ließen. Das stimmte mich besonders traurig, weil beide großes Talent hinter der Kamera bewiesen hatten, und ich es gerne gesehen hätte, wie sie über sich hinaus wachsen. Wir hätten die Einstellungen zusammen entworfen und geprobt, und das Ergebnis wäre nicht anders, höchstens besser geworden, als die vorliegende Fassung. Nein, das ist kein Understatement meinerseits, ich weiß aus dem Vorjahr, was die beiden geleistet haben (erahnen kann man es vielleicht in den Screenshots dieser Postproduktions-Präsentation). Es macht auch für die Darsteller einen Unterschied, ob sie Gleichaltrige hinter der Kamera sehen, oder unausgeschlafene alte Männer mit ungekämten Haaren und schlecht sitzenden Klamotten.
Nachsicht
Mit
dem Schnitt war es leider ebenso, obwohl es hier (endlich!) eine
Kandidatin gab, die gerne geholfen hätte. Nur möchte ich nicht den
Aufschrei gehört haben, wenn übernächtigte alte Männer die Nacht am
Schnittplatz mit Minderjährigen verbringen, die am nächsten Tag in die
Schule müssen. So blieb der Vorschlag das Rohmaterial auszuhändigen, um
einen Director’s Cut zu erstellen, der sich obendrein nicht an die zehn
Minuten Begrenzung halten müsste. Dazu ist es leider (noch?) nicht
gekommen, aber ich gebe die Hoffnung nicht auf, denn nirgendwo sonst
könnte man mehr Spaß am Filmemachen haben, als genau dort damit herum zu
spielen: am Schnittplatz. Jedenfalls lief die Roh- und
Feinschnittabnahme, Titelgebung und Filmgruppen-Gründung („A-Team“ – ein
Missverständnis in letzter Minute, dass aber so die Abstimmung
passierte) recht flüssig über die digitalen Kanäle.
In Konfliktsituationen habe ich mich grundsätzlich von den SchülerInnen überstimmen lassen, wann immer sie anderer Meinung waren, und mich überhaupt versucht so weit es ging heraus zu halten. Das heißt nicht, dass ich nicht auch versucht hätte das Projekt in die eine oder andere Richtung zu lenken, dann aber aufgrund einer entsprechenden Argumentation, die von sich aus überzeugte, oder eben nicht. So schafft man nicht nur das nötige Vertrauensverhältnis, sondern kommt auch voran, wenn die Zeit knapp wird. Es ist am Ende ja ihr Film, nicht meiner. Ich gab vieles zu bedenken, alles wurde angehört, und so bin auch ich mit dem Ergebnis zufrieden, das tatsächlich einmal mehr eine Steigerung zu den bisherigen Filmen der Gruppe darstellt. Aber seht selbst, denn diesen kann (und darf) man endlich herzeigen:
Gar nicht übel, oder? Nicht auszudenken, was man auf die Beine
stellen könnte, wenn man einmal mehr Zeit und Mittel hätte. Noch besser
wird der Film im Detail, wenn man versteht, warum es so und nicht anders
geworden ist. Ohne euch den Film erklären zu wollen – das soll er
schließlich selbst zun – lasse ich hier einfach mal ein paar Fragen
stehen:
- Warum spielt die Hauptrolle ein Mädchen?
- Wo haben wir einen MacGuffin versteckt?
- Ab wann wird geschichtliche Erinnerung abstrakt?
- Was war noch mit den Breslauer Zwergen?
Abgesehen vom historischen Kontext, dienten uns einige Ausschnitte aus der Filmgeschichte als Inspirationsquelle. Diese drei Szenen haben es mehr oder weniger gelungen in der Film geschafft, Spartacus, Der weiße Hai und Down by Law. Einer unser Drehorte kommt übrigens auch in winterlicher Atmosphäre in Dekalog, Drei von Krzysztof Kieslowski vor. Die Demonstration dort war die einzige angemeldete, die während unseres engen Drehfensters stattfand, und zu unserem Glück war es eine von Tierschützern, und damit so politisch neutral, wie wir sie uns nur wünschen konnten. Wir selbst waren nicht angemeldet, und so erklärt sich auch die schlaflose Nacht, die ich mich im Vorfeld herumgewälzt habe. Alles ist gut gegangen, rechtlich waren wir damit aber in einer Grauzone, da wir auf einen öffentlichen Platz filmten, aber nur Gruppen, bzw. mit unseren Darstellern im Zentrum. Leider hatten wir dann aufgrund der untergehenden Sonne nur zwei Takes für die so wichtige Dialogszene, die wir übrigens erst drehten, als der Demonstrationszug schon längst weg war. Aber besser irgendwas im Kasten, als gar nichts. Galerie löschen Die Bilder sind überwiegend Bilder auswählen
Weiterer Fun-fact am Rande: diese U-Bahn-Station habt ihr vielleicht schon in der Netflix-Serie 1983 entdeckt, wenn nicht, werdet ihr sie jetzt wiedererkennen.
Fazit
Schule
und Film geht einfach nicht gut zusammen. Projektbezogene Arbeit ist
zwar der einzig richtige Weg, nur gibt es bei festen Lehrplänen dafür
keine Spielräume, bzw. sind sie so fragmentiert, dass kein
konzentriertes Arbeiten möglich ist. Film erfordert die ganze
Aufmerksamkeit des Teams, und so stört entweder der Schulalltag, oder
das Filmprojekt. Es müsste mindestens eine Woche am Stück Zeit sein, um
dem Medium Film wirklich Rechnung zu tragen. Besser noch wären 3x eine
Woche, für jeden Abschnitt eine: Vorproduktion, Produktion,
Postproduktion. Utopisch, ich weiß. Darum werde ich es wohl auch bei
diesem Experiment belassen, es war mir eine Ehre diese Gruppe dabei
begleiten zu dürfen. Macht es gut und bitte reicht den Film noch auf
Festivals ein, das habt ihr euch verdient.
Das Team war dann eine Woche lang in Leipzig, wo der Film auch gezeigt, und so weit ich weiß gut aufgenommen wurde – nein, ich war nicht mit dabei – und das Projekt an sich hat es sogar in die Presse geschafft, die Links dazu hat die Schule hier zusammengestellt, und ihr könnt euch selbst ein Bild machen.
Was
aus den Breslauer Zwergen geworden ist? Könnte sein, das Tyler Durden
(oder ein anderer Schelm) einen bei Minute 7 zwischen Sekunde 10 und 12
zweimal am Fuss der Treppe eingebaut hat. Was tut man nicht alles, um
Pädagogen rundum glücklich zu machen.